02.10.2018 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bertelsmann Stiftung.
Im Jahr 2012 absolvierten 12,6 Prozent aller Menschen über 25 eine allgemeine oder berufliche Weiterbildung, 2015 waren es im Schnitt nur 12,2 Prozent. Auffällig sind die großen regionalen Unterschiede – sowohl zwischen den Bundesländern als auch innerhalb der Bundesländer. Während im Saarland – bundesweit das Schlusslicht – nur 7,8 Prozent der Menschen angeben, im vergangenen Jahr an einer Weiterbildung teilgenommen zu haben, sind es in Baden-Württemberg 15,3 Prozent. Anteilig fast genauso viele Menschen, nämlich 13 Prozent, nahmen in Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen an Weiterbildungen teil. In Berlin und Bremen wiederum bilden sich nur verhältnismäßig wenige Menschen weiter, jeweils 10,5 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt der Deutsche Weiterbildungsatlas 2018, für den das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung in unserem Auftrag Daten des Mikrozensus ausgewertet hat. Für Jörg Dräger, Vorstand unserer Stiftung, sind die Ergebnisse ein Wachrüttler:
"Zu häufig entscheidet der Wohnort und die lokale Wirtschaftskraft darüber, ob sich jemand weiterbildet. Gerade in wirtschaftlich schwächeren Regionen brauchen die Menschen Fortbildung, um ihre Chancen auf einen guten Arbeitsplatz zu verbessern."
Beim Blick in die Bundesländer wird deutlich: In den Kreisen und kreisfreien Städten nehmen anteilig unterschiedlich viele Menschen Angebote zur Weiterbildung wahr. So nehmen beispielsweise in der Grafschaft Bentheim, im Nordwesten Niedersachsens, lediglich 2,3 Prozent der Menschen jährlich an Weiterbildungen teil, in Landsberg am Lech, im Südosten Bayerns, sind es hingegen mit 23 Prozent knapp zehn Mal so viele. Im ebenfalls bayerischen Schwabach etwa bilden sich ebenfalls nur gut drei Prozent aller Menschen weiter.
Wie gut Kreise und kreisfreie Städte ihre strukturellen Voraussetzungen für Weiterbildung nutzen, erfasst die sogenannte Potenzialausschöpfung, also die Analyse, ob das örtliche Weiterbildungspotenzial genutzt wird. Ausgehend von den wirtschaftlichen und soziostrukturellen Daten der verschiedenen Kreise und kreisfreien Städte haben die Forscher dabei berechnet, wie hoch die Weiterbildungsbeteiligung in einer Region im Deutschlandvergleich eigentlich sein müsste. Regionen, in denen die Menschen einen geringeren Bildungsstand haben und die Wirtschaftsstruktur schwächer ist, haben demnach ein geringeres Potenzial als jene mit vielen Akademikern und einer brummenden Wirtschaft. Beim Weiterbildungspotenzial wird eine Region also an ihren eigenen Möglichkeiten gemessen. Demnach bilden sich in Baden-Württemberg rund 20 Prozent mehr Menschen fort als zu erwarten wäre. In Berlin aber bleibt die Weiterbildungsbeteiligung um 23 Prozent hinter den Möglichkeiten zurück. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise bilden sich im bundesvergleich wenige Menschen weiter, doch das Bundesland schöpft sein Potenzial voll aus. Hamburg und Brandenburg hingegen bleiben recht deutlich hinter den Erwartungen. Prof. Josef Schrader, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung sagt zu den Ergebnissen der Potenzialanalyse: "Wenn man in Rechnung stellt, was mit der jeweiligen Bevölkerung und Wirtschaftskraft möglich wäre, zeigt sich der ungenutzte Handlungsspielraum." Zugleich empfiehlt Prof. Schrader, genauer zu erforschen, was auf kommunaler Ebene zu einer hohen und was zu einer niedrigen Weiterbildungsquote führt: "Vor Ort kann am besten entschieden werden, welche kommunal- und landespolitischen Maßnahmen positiv auf die Weiterbildungsbeteiligung wirken." Der Deutsche Weiterbildungsatlas zeigt, dass auch jene Kommunen, in denen eher wenige Menschen Angebote zur Weiterbildung wahrnahmen, die Quote verbessern konnten: im Landkreis Fürstenfeldbruck und in Zweibrücken, Soest und Chemnitz beispielsweise stieg die Weiterbildungsbeteiligung in den letzten Jahren deutlich.
Der Weiterbildungsatlas zeigt ebenfalls auf, dass Geringqualifizierte, also Menschen ohne berufsbildenden Abschluss, besonders selten von Weiterbildungen profitieren. Lediglich 5,6 Prozent der Geringqualifizierten im Alter von 25 bis 54 bildeten sich weiter, obwohl sie theoretisch besonders von Fortbildungen profitieren könnten. Auch unter den Armen im zentralen Erwerbsalter bilden sich nur 7,7 Prozent weiter. Dräger fordert, die soziale Unwucht im Weiterbildungssystem zu begradigen. "Damit Ärmere und Geringqualifizierte häufiger an Weiterbildungen teilnehmen, müssen sie besser beraten und finanziell gefördert werden."
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