21.02.2019 — Markus Hiersche. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Wählende oder Wähler*innen statt Wähler, Bürger*innen anstelle von Bürger: Die Amtssprache der Stadt Hannover soll künftig geschlechtergerecht sein. Das beschloss Bürgermeister Stefan Schostok (SPD) zusammen mit der Dezernent*innenkonferenz Ende Januar 2019. Man wolle, so Schostok in einer Pressemitteilung, ab sofort das generische Maskulinum in amtlichen Schreiben vermeiden und geschlechterumfassend ansprechen, um so das Leitbild der Stadt „Vielfalt ist unsere Stärke“ auch in der Verwaltungssprache sichtbar zu machen. Die Stadtverwaltung begründet ihren Schritt nicht zuletzt auch mit dem im Dezember 2018 geänderten Personenstandrecht, das erstmals die Geschlechtsbezeichnung „divers“ für Personen, die sich nicht eindeutig einem der beiden Hauptgeschlechter zugehörig fühlen, als Option vorsieht. Eine geschlechtsneutrale Anrede respektiere diese Neuerung und sorge dafür, dass sich auch Diverse angesprochen fühlen.
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Überall, wo es möglich ist, sollen nun geschlechterumfassende Begriffe wie z. B. Studierende statt Studenten gewählt werden. Wo eine solche Formulierung nicht möglich ist, soll der „Gender Star“ benutzt werden.
Überhaupt scheint das Gendersternchen aktuell an Bedeutung zu gewinnen. Vor kurzem wurde der „Gendersternchen“ und das dazugehörende Schriftzeichen „*“ von Sprachwissenschaftler*innen um den Linguisten Anatol Stefanowitsch gar zum Anglizismus des Jahres 2018 gekürt. Selbst der Rat für deutsche Rechtschreibung beschäftigte sich mit dem Phänomen, kam aber zum Schluss, das Gendersternchen noch nicht in den Duden aufzunehmen.
Doch was hat es eigentlich genau mit dem Binnen-Sternchen auf sich? Woher kommt er und gibt es auch Überlegungen, die gegen seine Verwendung sprechen?
Entlehnt wurde das Sternchen-Symbol der Computersprache, in der es einen Platzhalter bezeichnet. Diese Funktion übernimmt das Sternchen auch in der Sprache. Eingefügt zwischen Wortstamm und weiblicher Endung zeigt es schon im Schriftbild an, dass es mehr sexuelle Identitäten gibt als nur zwei – die männliche und die weibliche. Das Sternchen soll Leser*innen schon beim Vorgang des Lesens dafür sensibilisieren, dass unsere Gesellschaft vielfältig ist und sich nicht in binäre Schubladen stecken lässt. Gendern von Wörtern, die generisch maskulin sind, soll vielmehr dafür sorgen, Frauen und Diverse mitzudenken. Schließlich haben die meisten unbewusst wohl Männer vor Augen, wenn sie in einem Text von einem Ingenieurskongress lesen. Die Formulierung „Ingenier*innenkongress“ dagegen zeigt an: Ingenieure können auch weiblich oder divers sein. Da sich Macht immer auch in der Sprache ausdrückt, verändert die Benutzung von Gendersternchen auch die tatsächliche Machtverteilung – so zumindest die Hoffnung der feministischen Sprachtheorie.
Es gibt aber auch feministische Gegenstimmen. Die Linguistin Luise Pusch, Vorreiterin gendergerechter Sprache in den 1980ern, beispielsweise sieht Frauen durch Gendersternchen auf eine Endsilbe verdrängt: „Dem Normalgeschlecht gebührt der Wortstamm, dem abweichenden Geschlecht die abgeleitete Form“. Je weiter das äußere Kennzeichen des Abgeleitetseins, die feminine Endung, vom Wortstamm durch Zwischenschaltung weiterer Elemente entfernt werde – umso mehr werde der Status der weiblichen Zweitrangigkeit betont. Sie präferiere da das Binnen-I wie bei WählerInnen.
Auch das feministische Urgestein Alice Schwarzer hält wenig vom Gendersternchen. Dieses würde nur neue Schubladen aufmachen. Der „urfeministische Gedanke der Menschwerdung von Frauen und Männern“ bleibe so auf der Strecke.
Wie auch immer Sie zum Genderstern stehen: Seien Sie sich bewusst, dass Sie mit der Sprache, die Sie verwenden, eine neue Machtverteilung der Geschlechter schaffen oder eine alte zementieren. Selbstverständlich bleibt es aber Ihnen überlassen, wie Sie die Gleichberechtigung der Geschlechter sprachlich umsetzen wollen. Da gibt es zahlreiche Möglichkeiten: Verwenden Sie zum Beispiel geschlechtsneutrale Formulierungen (z. B. Führungskraft statt Chef), benutzen das Binnen-I (z. B. ChefIn) oder verwenden immer ein Geschlechterpaar (Chefin und Chef). Manche Feministinnen gebrauchen auch konsequent das generische Femininum und sprechen in Ihren Texten von weiblichen Subjekten (z. B. immer von Chefinnen, auch wenn unter den Führungspersonen Männer enthalten sind).
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