10.04.2017 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Landgericht Berlin.
BGB § 555d Abs. 1
Hat die zuständige Behörde bereits geprüft und mitgeteilt, dass auch im Hinblick auf eine künftige Milieuschutzverordnung keine Einwände gegen eine Modernisierungsmaßnahme (hier: Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems an der Fassade) bestehen, entfällt die Duldungspflicht des Mieters nicht wegen Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften.
LG Berlin, Beschluss vom 30.01.2017 - 65 S 462/16 vorhergehend: AG Neukölln, 19.10.2016 - 13 C 221/16
In dem Rechtsstreit ... beabsichtigt die Kammer, die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 19. Oktober 2016 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
I. Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Im Ergebnis frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die Beklagte auch zur Duldung der aus dem Tenor zu 1 a) (Anbringen eines Wärmeverbundsystems an der Fassade) der angefochtenen Entscheidung ersichtlichen Maßnahmen verurteilt.
Ob der Auffassung des Amtsgerichts, dass die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit einer geplanten Modernisierungsmaßnahme keine Voraussetzung des Anspruchs nach § 555d Abs. 1 BGB ist, weil die entsprechende Prüfung den hierfür zuständigen Behörden und Gerichten vorbehalten sei, mit Blick auf § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG uneingeschränkt zu folgen ist, kann hier offen bleiben.
Zuzugeben ist der Beklagten, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Duldungspflicht unter dem Gesichtspunkt der baulichen Folgen im weiteren Sinne nach § 555d Abs. 2 BGB entfallen kann, wenn feststeht, dass die geplante Maßnahme gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, insbesondere die Vorschriften, die den gesellschafts- bzw. umweltpolitischen Hintergrund für die Neufassung des Modernisierungsrechts im Rahmen des Mietrechtsänderungsgesetzes 2013 (BT-Ds. 17/10485) bildeten und in § 555d Abs. 2 Satz 1 BGB nunmehr bewusst ausdrücklich in Bezug genommen werden: die Belange der Energieeinsparung und des Klimaschutzes (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Ds. 17/10485, S. 21), hier zwingende Regelungen der Energiesparverordnung.
Eine entsprechende Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Unstreitig hat das Bezirksamt Neukölln, Stadtentwicklungsamt mit Schreiben vom 11. Mai 2016 nach Anhörung des Klägers mitgeteilt, dass es nach erhaltungsrechtlicher Prüfung für eine Fassadendämmung mit einer Stärke von 8 cm keine Untersagung aussprechen werde. Als Rechtsgrundlage der Prüfung gab das Bezirksamt § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an. In dem Zeitpunkt hatte die Bezirksverordnetenversammlung die für die hier gegenständliche Adresse geltende Milieuschutzverordnung Schillerpromenade bereits beschlossen; sie ist nach Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin (72. Jahrgang, Nr. 16, S. 374) am 29. Juni 2016 in Kraft getreten. Nach den vom Bezirksamt am 16. Februar 2016 beschlossenen Genehmigungskriterien soll die energetische Modernisierung nicht verhindert werden, wenngleich sich die Maßnahmen stark auf die Mietentwicklung auswirken. Sie sollen jedoch auf das Maß und den Umfang der durch die jeweils gültige Energieeinsparverordnung (EnEV) zwingend vorgeschriebenen Mindestanforderungen begrenzt werden. Durch den Eigentümer muss ein Nachweis erbracht werden, dass die Maßnahmen so ausgeführt werden können, dass sie den in der EnEV genannten Effekt aufweisen.
Hält der Vermieter sich - wie hier - an die Auflagen, die die zuständigen Behörden im Rahmen der ihnen übertragenen Befugnisse auf der Grundlage des geltenden (öffentlichen) Rechts erlassen haben, so ist die Situation eines offenkundigen Verstoßes gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften gerade nicht gegeben, sondern der umgekehrte Fall.
Die Überprüfung der Richtigkeit von Entscheidungen der Verwaltung, die diese als Träger hoheitlicher Gewalt aufgrund der besonderen, ihr zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts trifft, fällt nicht in die Zuständigkeit der Zivilgerichte, §§ 13 GVG, 40 Abs. 1 VwGO. Unabhängig davon macht die Beklagte eine Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Bezirksamtes auch nicht geltend; sie ist auch nicht ersichtlich.
Hinsichtlich ihrer weiteren Bedenken muss die Beklagte sich entgegenhalten lassen, dass eine einmal geduldete Modernisierung keinen in die Zukunft reichenden "Schutz" vor weiteren Modernisierungsmaßnahmen gewährt.
II. Die Berufungsklägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung binnen 2 Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren bei Zurücknahme der Berufung ermäßigen.
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