15.06.2016 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.
Das innovative Instrument misst, wo und wie stark die gesetzlich gesicherte Partizipation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Politik und Performance von Unternehmen beeinflusst.
Wie wirkt sich die Unternehmensmitbestimmung auf Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatz- und Standortsicherheit, den Umgang mit der Umwelt, mit einem Wort: die Nachhaltigkeit der Geschäftspolitik aus? Diese Frage ließe sich am einfachsten durch Vergleiche von Unternehmen beantworten, die gleich groß sind, gleiche Produkte herstellen und sich nur dadurch unterscheiden, dass einmal Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sitzen und einmal nicht. Solche Unternehmenspaare gibt es allerdings nicht – schon weil Arbeitnehmerbeteiligung ab bestimmten Beschäftigtenzahlen gesetzlich vorgeschrieben ist. Um dennoch Aussagen über die Wirkung der Mitbestimmung treffen zu können, haben Forscher vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung einen Indikator konstruiert, der im Detail erfasst, bis zu welchem Grad Mitbestimmung in den Unternehmen verankert ist. Damit können sie zwischen Unternehmen mit mehr und solchen mit weniger Mitbestimmung unterscheiden – und zum Beispiel deren soziale oder ökonomische Performance vergleichen.
Dieser Indikator, der MB-ix, gibt nicht nur Auskunft darüber, ob ein Unternehmen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hat. Er berücksichtigt auch deren Zahl im Verhältnis zu allen Aufsichtsräten, die Besetzung von Ausschüssen oder ob die oder der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitnehmerseite angehört. Auch die Frage, ob Beschäftigte in Auslandsniederlassungen ihre Interessen durch Euro- oder SE-Betriebsräte artikulieren können, fließt in die Berechnung ein. Ebenso berücksichtigt wird die Rechtsform von Unternehmen, denn sie entscheidet unter anderem darüber, welche Befugnisse Aufsichtsräte haben oder ob die Arbeitnehmerbank auf die Unterstützung externer Gewerkschaftsvertreter zählen kann. Schließlich ist es für die Interessen der Beschäftigten von Bedeutung, ob es im Vorstand ein eigenständiges und gleichberechtigtes Personalressort gibt. Bei der 1976er-Mitbestimmung ist dies in der Regel ein mit Zustimmung der Arbeiternehmerseite eingesetzter Arbeitsdirektor.
Welchen Wert der Mitbestimmungsindex im konkreten Einzelfall annimmt, richtet sich danach, wie die jeweiligen Komponenten des MB-ix unternehmensspezifisch ausgeprägt sind. Bislang haben die WZB-Wissenschaftler Sigurt Vitols Ph.D. und Dr. Robert Scholz Zahlen für alle in Dax, M-Dax, S-Dax und Tec-Dax gelisteten Unternehmen für die Jahre 2006 bis 2013 berechnet. Außerdem sind im Datensatz etwa 50 weitere börsennotierte Konzerne enthalten, die paritätisch mitbestimmt sind. Was die Ausprägung des MB-ix betrifft, kommt dabei das ganze Spektrum vor: Es gibt sowohl Unternehmen, die den Maximalwert 100 erhalten, als auch solche, die in puncto Arbeitnehmerbeteiligung null Punkte bekommen.
Bei einer der ersten praktischen Anwendungen des neuen Messinstruments haben die Forscher die Unternehmen ganz am Ende des Feldes in den Mittelpunkt gestellt. Es zeigt sich: Firmen mit null Punkten bei der Mitbestimmung haben einen geringeren Anteil von dual Auszubildenden an den Beschäftigten in Deutschland als mitbestimmte. Im Durchschnitt der untersuchten Jahre von 2006 bis 2013 liegt die Ausbildungsquote bei diesen um ein Viertel höher als bei den nicht mitbestimmten (4,5 Prozent im Vergleich zu 3,6 Prozent; siehe auch die Infografik, Link unten). Im Gegensatz zur Mitbestimmung haben Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit keinen statistisch messbaren Einfluss auf die Ausbildungsquote.
Gerade im Zeitverlauf lässt sich Vitols und Scholz zufolge ein klarer Zusammenhang zwischen Mitbestimmung und nachhaltiger Unternehmensführung erkennen: Während der Finanzkrise haben die mitbestimmten Unternehmen im Interesse ihrer Zukunftssicherung die Zahl der Auszubildenden nahezu konstant gehalten. Bei ihnen waren die durchschnittlichen Ausbildungsquoten „durchgängig höher und wiesen eine höhere Kontinuität auf“ als in Firmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung.
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