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Lernen lernen – Theorien und Alltag Teil 1

26.02.2020  — Jasmin Dahler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Ein Leben lang lernen. Das wird in der Arbeitswelt von einem erwartet. Doch wie lernen wir überhaupt? Eine Frage, die sich schon viele Psycholog*innen gestellt haben. Erfahren Sie etwas über verschiedene Theorien und Möglichkeiten, um sich selber das Lernen zu vereinfachen. Heute der Behaviorismus.

Was ist Lernen

Wir alle nutzen das Wort „Lernen“ ganz selbstverständlich, so wissen wir doch alle was damit gemeint ist. Dennoch steckt in diesem Wort viel mehr drin, als es der erste Gedanke vermuten lässt. Die Definition lautet ungefähr so: Lernen ist ein Prozess, der in einer relativ konsistenten Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotenzials resultiert und basiert auf Erfahrung.

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Eine lange Definition, die nicht unbedingt zu mehr Verständnis führt. Sehen wir uns also die Kernstücke der Definition an. Eine Veränderung im Verhalten oder Verhaltenspotenzial bedeutet, dass Sie etwas gelernt haben, wenn Sie in der Lage sind, die Ergebnisse des Gelernten vorzuweisen. Zum Beispiel Auto fahren. Dass Sie nach viel Theorie und mehr oder weniger spaßigen Fahrstunden Auto fahren können, wird in Ihrem Gehirn nicht offensichtlich sichtbar. Aber es ist ganz deutlich in Ihrer Handlung des Autofahrens zu sehen. Es gibt aber natürlich auch Lernerfolge, die nicht so einfach zu sehen sind. Zum Beispiel können Sie auch allgemeine Haltungen erlernen. Wenn Sie etwa die Wertschätzung von abstrakter Kunst erworben haben, dann ist das etwas, das kein messbares Verhalten aufweist. Dennoch haben Sie etwas gelernt oder, besser gesagt, ein Verhaltenspotenzial erworben. Diese beeinflusst nicht Ihr Verhalten, aber zum Beispiel die Art und Weise Ihrer Freizeitgestaltung. Daher wird auch zwischen Lernen und Leistung unterschieden. Also dem was gelernt wurde und jenem, was im beobachtbaren Verhalten zum Ausdruck kommt.

Eine relativ nachhaltige Veränderung bedeutet, dass eine Änderung des Verhaltens oder des Verhaltenspotenzials über diverse Gelegenheiten hinweg relativ lange und konsistent auftreten. Wenn Sie einmal gelernt haben, Auto zu fahren, werden Sie in der Regel immer in der Lage sein, dies zu tun. Das bedeutet jedoch nicht, dass wenn Sie zum Beispiel täglich Spanisch lernen und dann für zwei Jahre die Sprache nicht mehr verwenden oder sich nicht weiter damit beschäftigen, Ihr Gedächtnis diese Sprache komplett behält. Aber es wird Ihnen nach den zwei Jahren deutlich einfacher fallen diese Sprache zu lernen als noch beim ersten Versuch.

Das Lernen auf Erfahrung basiert, bedeutet dass Sie Informationen aufnehmen und Reaktionen zeigen, die Ihre Umwelt beeinflussen.

Behaviorismus

John Watson (1878-1958) gründete eine psychologische Schule, die als Behaviorismus bekannt wurde. Watson nahm an, dass Selbstberichte über Empfindungen, bildhafte Eindrücke und Gefühle kein akzeptables Mittel zur Untersuchung von Verhalten seien. Dies war Watson zu subjektiv. Daher stützte er sich auf beobachtbares Verhalten.

B. F. Skinner (1904-1990) las Watsons Buch Behaviorism (1924) und formulierte auf Basis dessen Annahmen seine eigene Position, die heute als radikaler Behaviorismus bekannt ist. Nach Skinner verursachen geistige Ereignisse wie Denken oder Vorstellungen nicht das Verhalten. Stattdessen wollte er alles durch Stimuli in der Umwelt erklären.

Futter für den Vogel

Stellen Sie sich vor, Sie entziehen einem Vogel 24 Stunden jegliche Art von Nahrung. Jetzt setzen Sie ihn in eine Vorrichtung, wo das Tier auf eine kleine leere Scheibe picken kann. Immer wenn der Vogel auf die Scheibe pickt, erhält er Futter. Dies wird der Vogel bald tun. Warum? Weil der Vogel Hunger hat, werden viele antworten. Doch Skinner würde sagen, das subjektive Gefühl des Hungers ist nicht die Ursache seines Verhaltens, sondern das Ergebnis des Nahrungsentzugs. Nach Skinner bringt es uns keine neue Erkenntnis, wenn wir sagen der Vogel habe auf die Scheibe gepickt, weil er hungrig war oder weil er Futter erhalten wollte. Denn um zu erklären, was der Vogel tut, brauchen wir nicht zu verstehen, welche inneren psychischen Zustände er durchlebt. Man muss lediglich die einfachen Lernprinzipien verstehen, die es ihm erlauben, die Assoziation zwischen Verhalten und Belohnung herzustellen. Gegenstand der behavioristischen Untersuchungen sind demnach die beobachtbaren Zusammenhänge zwischen Reiz (Stimuli) und Reaktion (Response).

Konditionierung

Der Behaviorismus unterteilt sich in zwei Unterkategorien: klassische und operante Konditionierung. Die klassische Konditionierung ist eine Grundform des Lernens. Dabei sagt ein Stimulus oder Ereignis das Auftreten eines anderen Stimulus oder Ereignisses vor.

Ivan Pavlov (1849-1936) führte eines der bekanntesten Experimente zur klassischen Konditionierung durch. Daher wird dieses auch Pavlov’sche Konditionierung genannt. In seinem Experiment schnallte er Hunde in einem Geschirr fest. In regelmäßigen Abständen wurde ein Stimulus, in diesem Fall ein Ton, präsentiert und dem Hund Futter gegeben. Der verwendete Ton war vorher für den Hund bedeutungslos. Bei den ersten Abläufen zeigte er daher nur eine Orientierungsreaktion, um die Quelle des Tons zu lokaliseren. Durch die wiederholte Paarung zwischen Ton und Futter nahm diese Orientierungsreaktion jedoch ab und stattdessen trat bei dem Hund Speichelfluss ein, wenn er den Ton vernahm. Pavlov zeigte die Generalisierbarkeit dieses Effekts auf, indem er diverse andere Reize verwendete, die vor dem Experiment in keiner Verbindung zum Speichelfluss des Tieres standen.

Nun hat der Hund gelernt, dass das Erklingen eines bestimmten Tones in einer bestimmten Frequenz Futter ankündigt. Aber wird das Tier nur bei diesem Ton die Reaktion des Speichelflusses zeigen? Nein, wird er nicht. Fand eine Konditionierung statt, können auch ähnliche Stimuli die Reaktion auslösen. Denken Sie nur daran, dass zum Beispiel ein Kind, welches von einem großen Hund gebissen wurde, künftig auch Angst bei einem sehr kleinen Hund zeigen wird. Diese automatische Erweiterung der Reaktion auf Stimuli wird als Reizgeneralisierung bezeichnet. Doch es gibt auch eine Reizdiskrimination. Stellen Sie sich vor, das zuvor genannte Kind hätte jetzt Angst vor jedem Tier und wäre ständig in einer Angst- und Fluchtreaktion. So einen zerstörerischen Zustand würde unser Körper in der Regel nicht zulassen. In einer Experimentsituation werden daher ähnliche Stimuli mit eingebaut, ohne diese mit dem selbigen Ergebnis zu verbinden, damit die Reaktion des Körpers ausbleibt. In einer natürlichen Umgebung ist unser Organismus in der Lage, Prozesse der Generalisierung und der Diskrimination auszubalancieren.

So hilft Ihnen die klassische Konditionierung

Lassen Sie uns nun einen Blick auf unseren Alltag werfen. Mögen Sie Horrorfilme? Viele Menschen reagieren mit Unbehagen oder Angst auf dieses Genre. Es ist das Ergebnis einer Furchtkonditionierung. Bereits die anschwellende Musik der Filme kann ausreichen, um bei einer Person Schweißausbrüche hervorzurufen oder sie dazu zu bringen, die Hände vor die Augen zu halten, um sich vor dem kommenden gezeigten zu schützen.

Zur Furchtkonditionierung gab es 1920 ein sehr schreckliches Experiment, welches heute zum Glück nicht mehr möglich wäre. Watson und Rainer trainierten dem elf Monate alten Albert an, Furcht vor einer weißen Ratte zu haben, die er ursprünglich gern mochte. Immer wenn sie ihm die Ratte zeigten (Unkonditionierter Stimulus), ließen sie ein lautes Geräusch direkt hinter ihm, das durch Schlagen mit einem Hammer auf einen Stahlstab erzeugt wurde, erklingen. Die Schreck- und die Stressreaktion, die sich durch das laute Geräusch zeigten, übertrugen sich nach nur sieben Versuchen auf die Ratte und steigerten sich durch eine Fluchtreaktion des Kindes. Die Furcht von Albert generalisierte sich auf andere pelzige Objekte wie andere Tiere aber auch eine Nikolausmaske.

Ein einziges traumatisches Ereignis in unserem Leben kann bereits starke körperliche, emotionale und kognitive Reaktionen hervorrufen. Doch die klassische Konditionierung ruft nicht nur negative Reaktionen hervor. Denken Sie nur an die Werbeindustrie. Diese nutzt die klassische Konditionierung, um im Denken potenzieller Käufer*innen Assoziationen zwischen ihrem Produkt und einem positiven Gefühl herzustellen. Daher werden auch heute noch sehr viele sexistische Werbungen produziert. Die „sexy“ Menschen sollen das Gefühl der sexuellen Erregung mit dem Produkt verbinden.

Ausblick: Lesen Sie im nächsten Teil, was es mit der operanten Konditionierung auf sich hat und wie sich Belohnungen und Bestrafungen auf das Lernen auswirken.

Bild: Lgh_9 (Pexels, Pexels Lizenz)

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