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Interview: Start der Energiewende durch Bundesrat verschleppt

14.07.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Baudienst.

Kritik am Veto des Bundesrates für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung übt ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke. "Die Hausbesitzer sitzen in den Startlöchern. Doch bisher ist noch nicht einmal ein Vermittlungsverfahren in Sicht", sagt er im Interview mit der Südwestpresse (13. Juli 2011). Der Stopp für die elektronische Rechnung ist ein Rückschlag für die Bürokratievermeidung. Schwannecke: "Bedauerlich, dass Bund und Länder nicht an einem Strang ziehen."

Herr Schwannecke, sieht das Handwerk in der Energiewende eher eine Last oder eine Chance?

HOLGER SCHWANNECKE: Sie ist eine große Chance. Für die gesamte Gesellschaft, aber auch für das Handwerk. Wir können uns in die beschlossene Neuausrichtung der Energiepolitik hervorragend einbringen. Wer anders als unsere Betriebe kann neue Techniken umsetzen, ob bei erneuerbaren Energien oder bei Einsparungen. Da sind wir hervorragend aufgestellt.

Wie wichtig ist dabei die staatliche Förderung?

Staatliche Förderung im Sinn eines Anreizes ist ein wichtiges Hilfsmittel. Wir haben von Anfang an gesagt: Die Politik muss die Leute mitnehmen. Sie müssen überzeugt werden, dass jeder für sich etwas tun muss, um den Umstieg in der Energiepolitik hinzubekommen. Anreize sind besser als Zwang, wie ihn etwa die Europäische Union mit der Energierichtlinie faktisch ausübt. Da überlegen sich die Leute: Wie kann ich mir das zu Nutze machen?

Sind steigende Energiepreise nicht schon genug Anreiz?

Die hohen Benzinpreise halten auch niemanden vom Autofahren ab. Unser Ziel müssen Energieeinsparungen sein. Das ist der Rohstoff, den wir in Deutschland haben. Politik und müssen alles tun, die Möglichkeiten bekannter zu machen, das Handwerk vorneweg.

Nun hat der Bundesrat die Förderung gerade gestoppt. Wie frustriert sind Sie darüber?

Enttäuscht sind wir schon, dass es da nicht voran geht. Wir hätten uns gewünscht, dass wir in die Sommerpause mit dem Wissen gehen: Die Energiewende kann bei der energetischen Gebäudesanierung starten. Schließlich sitzen die Hausbesitzer in den Startlöchern. Doch bisher ist nicht einmal ein Vermittlungsverfahren in Sicht. Die Länder schauen nur auf den Haushalt und fürchten um ihr Geld. Dabei würden sie finanziell profitieren, wenn es viele Aufträge gibt und die Handwerker beschäftigt werden.

Der Bundesrat hat am Freitag auch die Steuervereinfachung gestoppt. Da hatten Sie besonders in die elektronische Rechnung Hoffnungen gesetzt. Warum ist das für das Handwerk so wichtig?

Weil es Prozesse erleichtert. Angebote und Auftragsannahmen laufen heute vielfach elektronisch. Da wäre es für die Unternehmen eine große Erleichterung, bei der Rechnungsstellung genau so vorzugehen.

Auch für den kleinen Handwerker?

Ja. Elektronische Abläufe gehören auch bei kleinen Betrieben längst zum Alltag. Sie würden die neuen Möglichkeiten intensiv nutzen. Sparen sie doch den Papierausdruck, den Versand und die Archivierung in Papierform. Die elektronische Rechnungsstellung ist das wichtigste Einzelprojekt beim Bürokratieabbau.

Rechnen Sie mit einer schnellen Lösung?

Es ist bedauerlich, dass Bund und Länder hier nicht an einem Strang ziehen. Die Länder bremsen die Regierung auch in der Arbeitsmarktpolitik. Da wollen sie mehr Geld ausgeben, allerdings nicht ihr eigenes, sondern das des Bundes. Das passt nicht zusammen. Wir haben uns intensiv dafür eingesetzt, im Aufschwung die Vielzahl der Arbeitsmarkt-Instrumente zu reduzieren und dafür den Betreuern bei den Arbeitsagenturen mehr Entscheidungsspielräume bei der Vermittlung zu geben. Die Länder wollen genau das Gegenteil. Wenn man das alles zusammenzählt, bin ich skeptisch, was eine schnelle Lösung angeht. Dabei brauchen wir dringend Planungssicherheit für die Unternehmen und für die Bürger. Was wir uns nicht leisten können, sind ständige Hängepartien.

Ist das nur der Egoismus der Bundesländer, oder was läuft da schief?

Es ist sicher richtig, dass die Länder auf ihre Haushalte schauen, denn sie dürfen ab 2020 keine neuen Schulden mehr machen. Aber sie profitieren gesamtwirtschaftlich, wenn es schnell voran geht. Jetzt müssen alle an einen Tisch. Ich hoffe, dass die Machtspiele wie in den 90er Jahren nicht wiederkommen. Das würde niemand verstehen.

Wie sieht es insgesamt mit dem Bürokratieabbau aus - ist der so vorangekommen, wie Sie es erhofft hatten?

Der Zwischenbericht der Bundesregierung weist das aus. Wenn man aber genauer hinsieht, stellt man fest, dass es an vielen Stellen nicht so schnell geht wie vereinbart. Da der Normenkontrollrat mehr Rechte hat, waren wir guter Dinge. Aber der Bürokratieabbau ist offenbar eine unendliche Geschichte. Wir haben immer einen Netto-Abbau von Bürokratie gefordert. Wenn man sich manche Gesetzesprojekte ansieht, wird es im Gegenteil wieder mehr.

Kommen wir zur Lage im Handwerk. Was ist derzeit schwieriger: Aufträge zu bekommen oder Mitarbeiter?

Das Handwerk steht wieder gut da. Die Auftragsreichweiten sind nach oben gegangen. Aktuell ist es eindeutig schwieriger, Fachkräfte zu finden, wie unsere jüngste Fachkräfteumfrage zeigt. Das gelingt einer Reihe von Betrieben immer noch, die sich schon in der Vergangenheit sehr bemüht haben. Aber strukturell tun sie sich zunehmend schwerer. Das fängt bei den Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk an und hört bei den technisch innovativen Berufen wie Kälteanlagenbauern nicht auf. Da haben wir mehr offene Stellen als Nachfrage. Wir müssen unsere Potenziale besser erschließen, ob bei Abiturienten, Problemfällen oder auch bei jungen Frauen.

Welche Folgen hat die volle Freizügigkeit für die neuen EU-Staaten in Osteuropa für das Handwerk - sind das neue Märkte und Arbeitskräfte oder mehr Konkurrenz?

Es gab viele Befürchtungen im Handwerk, es drohe ein gewaltiger Zustrom aus dem Osten, wenn man die Grenzen öffnet. Damals war der Arbeitsmarkt noch angespannt. Die Einführung der vollen Freizügigkeit erst jetzt am 1. Mai dieses Jahres war daher richtig. Auch da gab es noch mahnende Stimmen. Aber wir haben zur Gelassenheit geraten. Von der tatsächlichen Entwicklung fühlen wir uns bestätigt. Es entsteht ein Stück europäische Normalität. Viele unserer Handwerker suchen ja schon in den Nachbarstaaten im Osten Auszubildende und Fachkräfte. Das wird bald genauso normal sein wie der Austausch zwischen Deutschland und Frankreich.

Die rot-grüne Regierung hat es vor einigen Jahren als Bürokratieabbau verkauft, den Meisterzwang in einigen Handwerkszweigen zu locken. Was hatte das für Auswirkungen?

Die Enttäuschung war groß. Denn die Betroffenen hatten den Eindruck, dass Qualifikation nichts mehr wert ist. Das können wir uns nicht leisten. Andere Länder versuchen, die Bedeutung von Qualifikation mühsam aufzubauen. Nehmen Sie ein Thema wie die Energiewende. Das lässt sich nicht mit Angelernten bewältigen, sondern nur mit großen Investitionen in Qualifikation und Weiterbildung. Am Meister kommt da keiner vorbei.

Die Hoffnung war unter anderem, mehr Selbständige zu bekommen.

Die haben wir auch bekommen. Aber um welchen Preis. Heute gibt es eine Vielzahl von Ein-Mann-Betrieben, und die gehen uns für die Ausbildung verloren.

Interview: Dr. Dieter Keller

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Quelle: Zentralverband des deutschen Handwerks
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