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HOAI: Folgerungen aus der EU-Rechtswidrigkeit der Mindestsätze für Kommunen

23.07.2019  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V..

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 04. Juli 2019 – C-377/17 – entschieden, dass die verbindliche Festsetzung von Mindest- und Höchstsätzen in der deutschen HOAI gegen EU-Recht verstößt und daher rechtswidrig ist. Was sind die Folgerungen aus dem Beschluss?

Die maßgeblichen Gründe des EuGH

Der EuGH hat am 4. Juli entschieden, dass insbesondere das in § 7 Abs. 1 HOAI normierte Mindestsatzgebot sowie das Höchstsatzgebot gegen das EU-Recht und die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Interessant ist, dass der EuGH – zum Teil entgegen den engeren Ausführungen des Generalanwalts – anerkannt hat, dass zwingende Gründe des Allgemeininteresses die Festsetzung von Mindestpreisen rechtfertigen können. Daher kann es nach dem EuGH sachgerecht sein, die Gefahr von „Billigangeboten“ durch Mindestsätze zu begrenzen. Hierdurch könne verhindert werden, dass Leistungen zu Preisen angeboten werden, die langfristig nicht die Qualität dieser Leistungen gewährleisten können (Rn. 81 und 82 des EuGH-Urteils). Daher könne die Existenz von Mindestsätzen bei der Vergabe von Planungsleistungen gerade wegen der durch eine große Zahl von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Beschaffenheit des deutschen Marktes dazu beitragen, eine „hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten“ (Rn. 83 und 88 des Urteils).

Der EuGH erinnert jedoch daran, dass eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die angestrebten Ziele zu erreichen und diesem Anliegen gerecht zu werden, wenn diese Ziele in „kohärenter und systematischer Weise“ umgesetzt werden (Rn. 89). Hier sieht der EuGH aber eine zur EU-Rechtswidrigkeit führende „Inkohärenz“ der deutschen Regelung. Diese „Inkohärenz“ ergibt sich nach Rn. 91 des Urteils insbesondere daraus, dass in Deutschland

„die Planungsleistungen nicht bestimmten Berufsständen vorbehalten seien, die einer zwingenden berufsständischen- oder kammerrechtlichen Aufsicht unterliegen, und neben Architekten und Ingenieuren auch andere nicht reglementierte Dienstleistungsanbieter Planungsleistungen erbringen könnten.“ Darauf fußend weist der EuGH weiter in Rn. 92 auf Folgendes hin:

„Der Umstand jedoch, dass in Deutschland Planungsleistungen von Dienstleistern erbracht werden können, die nicht ihre entsprechende fachliche Eignung nachgewiesen haben, lässt im Hinblick auf das mit den Mindestsätzen verfolgte Ziel, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten, eine Inkohärenz in der deutschen Regelung erkennen. Trotz des Befunds in Rn. 88 des vorliegenden Urteils ist nämlich festzustellen, dass solche Mindestsätze nicht geeignet sein können, ein solches Ziel zu erreichen, wenn – wie aus den beim Gerichtshof eingereichten Unterlagen hervorgeht – für die Vornahme der Leistungen, die diesen Mindestsätzen unterliegen, nicht selbst Mindestgarantien gelten, die die Qualität dieser Leistungen gewährleisten können.“

In der Folge stellt der EuGH in der Rn. 93 seines Urteils fest, „dass es der Bundesrepublik Deutschland nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass die in der HOAI festgelegten Mindestsätze geeignet sind, die Erreichung des Ziels einer hohen Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten und den Verbraucherschutz sicherzustellen“.

Folgerungen aus der EuGH-Entscheidung für Kommunen

Gerade für die Kommunen als größte öffentliche Auftraggeber hat die EuGH-Entscheidung enorme Auswirkungen. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die in § 7 der HOAI normierte Vorgabe zur Einhaltung der Mindestsätze ist EU-rechtswidrig. Dies bedeutet, dass Architekten und Ingenieure zukünftig nicht mehr den Mindestsatz einfordern können, wenn sie vorher eine niedrigere Vergütung vereinbart haben. Im Umkehrschluss heißt dies, dass Städte und Gemeinden den Zuschlag bei der Vergabe von Planungsleistungen auch auf Angebote erteilen dürfen, bei denen die Preise unterhalb des HOAI-Mindestsatzes liegen. Mit anderen Worten ergibt sich trotz der nach wie vor sinnvollen Vergabe von Planungsleistungen nach Qualitäts- und Eignungsgesichtspunkten des jeweiligen Büros und auch des konkreten Planers die Möglichkeit zum Preiswettbewerb als ergänzendes Gestaltungselement.
  • Bestehende Verträge von Kommunen mit Planern, bei denen der HOAI-Mindestsatz vereinbart wurde, gelten auch weiterhin. Dies gilt auch für Architektenverträge mit Bezug auf die HOAI und die dort geregelten Leistungsbilder, Leistungsphasen etc. Denn insoweit gilt, dass die HOAI schon immer „nur“ eine Verordnung war und ist, die reines Preisrecht beinhaltet und daher nicht den Inhalt der Architektenleistung oder gar des Architektenvertrages bestimmt.
  • Deutschland und das zuständige Bundeswirtschaftsministerium sind nach dem Urteil des EuGH aufgefordert, das Mindestsatzgebot abzuschaffen und die HOAI entsprechend anzupassen. Ein erstes Gespräch zu den Folgen des EuGH-Urteils und der notwendigen HOAI-Anpassung auch mit den kommunalen Spitzenverbänden findet am 17. Juli 2019 im BMWi in Berlin statt.
  • In der jetzigen Schwebephase empfiehlt sich für die Kommunen als staatliche Stellen auf der Grundlage des EuGH-Urteils, das Mindestsatzgebot nicht mehr weiter zu beachten. Denn die deutschen Gerichte haben nach der EuGH-Entscheidung sowohl in laufenden als auch in künftigen Klageverfahren über Mindesthonorare keine Befugnis mehr, den Mindestsatz der HOAI nach § 7 HOAI durchzusetzen. Einen Vertrauensschutz gibt es also nach dem EuGH-Urteil nicht mehr.
  • Insoweit ist auch auf zwei Entscheidungen von Landgerichten zu verweisen. Diese sind vor der Entscheidung des EuGH ergangen. So hat das Landgericht Dresden mit Beschluss vom 08. Februar 2018 – 6 O 1751/15 – entschieden, dass bei einer Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsatzregelungen durch den EuGH eine Honorarklage eines Architekten ohne weiteres abzuweisen ist, soweit statt des vereinbarten und unterhalb des Mindestsatzes liegenden Honorars das höhere Mindestsatzhonorar verlangt wird. In einer weiteren Entscheidung vom 07. Mai 2019 – 3 O 221/18 – hat das Landgericht Baden-Baden ausgeführt, dass Zivilprozesse, in denen die Mindest- und Höchstsätze streitentscheidend sind, bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-137/18 ausgesetzt werden müssen.
  • In der Folge auch dieser Entscheidungen scheiden aufgrund des EuGH-Urteils Nachberechnungen von Mindestsätzen aus. Denn spätestens vor Gericht wird damit kein Gehör mehr zu finden sein. Insoweit sind die Gerichte als Teil der Bundesrepublik Deutschland gehindert, nunmehr noch weiter einen Mindestsatz zuzusprechen, wenn der EuGH diesen für EU-rechtswidrig erklärt hat.
  • Unabhängig von der Antwort auf die Frage, in welchen Punkten das Bundeswirtschaftsministerium eine nun erforderliche Änderung der HOAI plant, ergeben sich für die Städte und Gemeinden nach der Entscheidung des EuGH größere Gestaltungsspielräume zur Vereinbarung des Honorars bei der Vergabe von Planungsleistungen. Auch zukünftig sollte dabei die Qualität des Planens und des Bauens im Vordergrund stehen. Um sich daher als Kommune vor Dumping-Angeboten zu schützen, kann und sollte die Vergabestelle – wie in übrigen Vergabeverfahren schon seit langem bewährt – die Auskömmlichkeit des Angebotspreises im Zuge der Angebotsprüfung näher betrachten und auch prüfen.

Fazit:

Im Ergebnis entstehen durch das EuGH-Urteil für die Kommunen keine unlösbaren Probleme. Auch wenn die konkreten Auswirkungen auf die Planungs- und Baupraxis abzuwarten bleiben, ist es jetzt an den Auftraggebern und Kommunen, die neuen Spielräume mit der Maßgabe zu nutzen, so dass eine hohe Qualität des Planens und Bauens auch weiter sichergestellt wird.

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