13.09.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Stiftung Warentest.
Die Finanzämter verschickten im Frühjahr millionenfach Schreiben an Eigentümer von Grundstücken und Häusern. Inhalt: Informationen zur Grundsteuerreform und der damit verbundenen Abgabe einer Erklärung. Denn die Eigentümer müssen in der Zeit von Anfang Juli bis Ende Oktober 2022 für jedes ihrer Objekte eine Erklärung zur Feststellung des Grundbesitzwerts einreichen.
Die bisherige Methode zur Erhebung der Grundsteuer hatte das Bundesverfassungsgericht 2018 für verfassungswidrig erklärt.
Einheitswerte ungerecht. Denn in der Realität werden für etwa gleichwertige Grundstücke oft stark voneinander abweichende Grundsteuern fällig. Dieses Verfahren auf Basis sogenannter Einheitswerte aus den Jahren 1964 oder sogar 1935 (neue Bundesländer) ist nach Ansicht der Verfassungsrichter inzwischen ungerecht.
Neues Grundsteuergesetz. Das Gericht gab dem Gesetzgeber auf, die Steuer neu zu regeln. Für Eigentümer heißt das: Es kann für sie teurer werden – aber vielleicht auch günstiger. Auch Mieter sind betroffen, denn die Grundsteuer zählt zu den Nebenkosten.
Die neuen Vorschriften kommen zwar erst ab 2025 zum Tragen, aber per Stichtag 1. Januar 2022 müssen die steuerlich relevanten Daten neu erhoben werden. Das betrifft allein in Baden-Württemberg 5,6 Millionen Liegenschaften, in Niedersachsen sind es 3,6 Millionen und in Berlin 800 000. Alle sieben Jahre sollen die Bewertungen erneuert werden.
Je nach Bundesland gelten andere Regeln für die Bewertung, denn die Länder hatten die Wahl zwischen dem sogenannten wertorientierten Bundesmodell und einem selbst formulierten Bewertungssystem. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wenden alle Länder weitestgehend unverändert das Bundesmodell an. Bei Wohngrundstücken hingegen nehmen zwei Länder gegenüber dem Bundesmodell geringe Anpassungen vor und fünf Länder gehen einen ganz eigenen Weg. Für Grundbesitzer heißt das: Je nachdem, wo ihre Immobilien sind, müssen sie in den Erklärungen unterschiedlich detaillierte Angaben machen.
In dem vom Bund beschlossenen Verfahren sind die individuellen Grundstücksfaktoren am detailliertesten eingepreist. Für jedes Grundstück ermittelt das Finanzamt anhand der aktuellen Miet- und Bodenpreise einen typisierten Verkehrswert. Dafür benötigt es allerdings ziemlich viele Informationen – Bodenrichtwert, Grundstücks- und Gebäudefläche, Alter des Gebäudes, Immobilienart, statistisch ermittelte Nettokaltmiete. Die meisten dieser Infos müssen die Grundeigentümer liefern, manche Daten ziehen sich die Ämter selbst.
Die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete hängt unter anderem vom Mietniveau in der jeweiligen Gemeinde ab. Die Kommunen werden auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts in verschiedene Mietniveaustufen eingeordnet – ein aufwendiges Verfahren. Derzeit bauen die Finanzverwaltungen der Bundesländer entsprechende Infoportale im Internet auf.
Leichter haben es Eigentümer, die noch ihren Bauantrag zur Hand haben, denn der enthält viele der gefragten Daten, etwa zur Lage des Grundstücks oder der Wohn- und Nutzfläche. Wer keine Baupläne hat, muss den Zollstock in die Hand nehmen und selbst nachmessen.
Maß-Regeln. Unbeheizbare Wintergärten und Dachschrägen zwischen einem und zwei Metern Raumhöhe zählen nur zur Hälfte ihrer Grundfläche mit, Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen mit einem Viertel, Keller, Treppen, Abstell- und Heizungsräume gar nicht. Wer unsicher ist, sollte einen Fachmann beauftragen. Mehr zum Thema in unserem Special Was zur Wohnfläche zählt.
Sanierung. Wichtig ist es, in den Formularen mit Jahreszahl zu vermerken, wenn eine Kernsanierung stattgefunden hat. Eine solche liegt vor, wenn alle wesentlichen Bauteile wie Dach, Fenster, Fassade und alle technischen Systeme erneuert wurden. Einzelne Renovierungen wie ein neu verlegter Dielenboden interessieren das Finanzamt aber nicht.
In Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen geht es weniger bürokratisch zu. Hier liegt überwiegend ein Flächenmodell zugrunde. Die Bewertung erfolgt ausschließlich anhand der Grundstücks- oder Wohnfläche, eventuell ergänzt um einen Lagefaktor. Der Vorteil: Es sind weniger Daten des Grundstücks für die Berechnung nötig – und diese sind zumeist bei den Kataster-, Grundbuch- und Bauämtern digital abrufbar. Bayern kommt mit den wenigsten Daten aus. Welche Daten Sie in welchem Bundesland benötigen, erfahren Sie in unserem Checklist-Tool.
Tipp: Die Regeln zur Erfassung der Wohnfläche und Hinweise, wie Sie sich als Mieter gegen falsche Messung wehren, finden Sie im Special Wohnfläche auf test.de.
Eigentümer in Baden-Württemberg müssen nur Grundstücksgröße und Nutzungsart melden. Kritiker monieren, es mache für die Höhe der Steuer keinen Unterschied, ob auf dem Grundstück ein zweigeschossiges Eigenheim oder ein zwölfgeschossiges Mietshaus stehe.
Um hier besser differenzieren zu können, spielt in Hamburg, Hessen und Niedersachsen bei der Bewertung des Grundstücks auch noch die Lage eine Rolle. Den dafür notwendigen Faktor (Bodenrichtwert oder Mietspiegel) beschaffen sich die Finanzämter selbst. Die Berechnung ist für die Immobilieneigentümer leicht nachvollziehbar.
Tipp: Wie die Grundsteuer in Ihrem Bundesland berechnet wird und welche Infos Sie angeben müssen, erfahren Sie online unter grundsteuerreform.de oder steuerchatbot.de. Dort halten die Finanzverwaltungen der Länder Infos, Tipps und Ausfüllhilfen bereit. Auf der Elster-Website findet sich zudem eine Ausfüllhilfe für die Grundsteuerformulare.
Wie bisher wird die neue Grundsteuer in einem dreistufigen Verfahren ermittelt. Und zwar nach der Formel: Grundsteuerwert × Steuermesszahl × Hebesatz = zu zahlende Grundsteuer. Steht der Grundsteuerwert fest, wenden die Finanzämter die Steuermesszahl an. Sie wurde erheblich gesenkt, um zu gewährleisten, dass die Änderung insgesamt aufkommensneutral wirkt, sprich: keine versteckte Steuererhöhung darstellt.
Je nachdem, womit ein Grundstück bebaut wurde, ist die Steuermesszahl unterschiedlich hoch. Sie beträgt bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Mietwohngrundstücken und Wohnungen 0,031 Prozent, bei Teileigentum, Geschäftsgrundstücken, gemischt genutzten Grundstücken, sonstigen bebauten sowie unbebauten Grundstücken 0,034 Prozent. Das Saarland und Sachsen verwenden zwar das Bundesmodell, die Steuermesszahlen sind dort aber höher.
Ermäßigung. Für sozialen Wohnungsbau, kommunales und genossenschaftliches Wohnen gibt es unter Umständen 25 Prozent Rabatt, wenn für das Grundstück eine Förderzusage nach dem Wohnraumfördergesetz erteilt wird. Baudenkmäler erhalten pauschal 10 Prozent Rabatt auf die Steuermesszahl.
Zu guter Letzt kommt der Hebesatz zur Anwendung, den die Kommunen wie auch schon bisher autonom festsetzen. Sie können damit entscheiden, ob Grundeigentümer künftig stärker, gleich oder weniger stark zur Kasse gebeten werden.
Künftig gibt es drei statt bisher zwei verschiedene Hebesätze: Die Grundsteuer A gilt verpflichtend für Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft, die Grundsteuer B für alle anderen bebauten und unbebauten Grundstücke.
Die neue Grundsteuer C dürfen Gemeinden für unbebaute „baureife“ Grundstücke erheben, zum Beispiel um die Spekulation mit Brachflächen in Wohngebieten zu verteuern und damit einzudämmen. Ob und in welcher Höhe die Kommunen dies nutzen, ist offen. Alle Bundesländer bis auf Bayern haben diese vom Bund eingeräumte neue Möglichkeit gesetzlich verankert. In Hamburg haben Investoren künftig fünf Jahre Zeit, sich einen Bebauungsplan für das betreffende Grundstück zu überlegen. Danach wird die Strafsteuer erhoben.
Die Abgabe auf Grundbesitz brachte Städten und Gemeinden 2021 knapp 15 Milliarden Euro ein. Nach der Gewerbesteuer stellt sie ihre zweitwichtigste Einnahmequelle dar. Direkt zur Kasse gebeten werden Eigennutzer von Immobilien, Wohnungsvermieter und Verpächter von Gewerbe- und Agrarflächen. Vermieter, Landwirte und Betriebe können die Steuer als Betriebsausgabe oder Werbungskosten absetzen.
Tipp: Bei unverschuldetem Leerstand können Eigentümer bis zu 50 Prozent Steuernachlass bei der Grundsteuer beantragen. Was Vermietende bei ihrer Steuererklärung noch beachten müssen und mit welchen Kosten sie besonders sparen, erklärt die Stiftung Warentest im kostenlosen Special Mieteinnahmen versteuern.
Letztlich zahlen neben den Eigennutzern Mieter und Pächter die Grundsteuer – entweder über die Mietnebenkosten oder über einen von vornherein höheren Pacht- oder Mietpreis. Die neue Grundsteuer betrifft somit fast jeden in Deutschland – egal, wie hoch sie künftig ausfallen wird.
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