12.12.2016 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
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Der Kläger war seit Gründung der Gesellschaft Geschäftsführer der X-GmbH. Gründungsgesellschafter der X-GmbH waren die Y-GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 85 %, der neben dem Kläger zum weiteren Geschäftsführer der X-GmbH bestellte C mit einem Anteil von 10 % sowie der Kläger mit einem Anteil von 5 %. Das Stammkapital der X-GmbH, deren Geschäftsjahr vom 1.5. eines Jahres bis zum 30.4. des Folgejahres lief, betrug 76.693,78 € (150.000 DM). Nach dem Gesellschaftsvertrag der X-GmbH gewährten jeweils ... DM der eingezahlten Stammeinlage eine Stimme. Für den Fall der Veräußerung von Geschäftsanteilen oder von Teilen derselben war vereinbart, dass den Gesellschaftern, die mindestens 5 % des Stammkapitals hielten, ein Vorkaufsrecht in dem Verhältnis zustand, in dem die Nennbeträge ihrer Stammeinlagen zueinander standen.
Der Kläger hatte bereits im Jahr 1998 von der Y-GmbH einen weiteren Geschäftsanteil an der X-GmbH von 2,5 % zum Preis von 12.962,81 DM erworben. Diesen Geschäftsanteil veräußerte er im Jahr 2000 wieder an die Y-GmbH zum Preis von 111.216,70 DM zuzüglich Zinsen. Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der Wert des vom Kläger erworbenen Geschäftsanteils von 2,5 % tatsächlich 29.677 DM betragen habe. Die Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem vom Prüfer angenommenen tatsächlichen Wert der Beteiligung in Höhe von 16.714,19 DM sei als vom Kläger zu versteuernder Arbeitslohn zu qualifizieren. Das FA schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ gegenüber dem Kläger einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998. Über den gegen diesen Änderungsbescheid eingelegten Einspruch ist bisher nicht entschieden.
C veräußerte seine Beteiligung an der X-GmbH im Jahr 1997 an die Y-GmbH und schied als Geschäftsführer aus. Noch im selben Jahr wurde D neben dem Kläger zum weiteren Geschäftsführer der X-GmbH bestellt. D erwarb von der Y-GmbH einen Geschäftsanteil von 5 % an der X-GmbH, den er im Jahr 1999 in einen Geschäftsanteil von 3 % und in einen Geschäftsanteil von 2 % aufteilte. Anschließend veräußerte er den Geschäftsanteil von 2 % an den bereits im Jahr 1998 ebenfalls zum Geschäftsführer bestellten E. Den verbliebenen Geschäftsanteil von 3 % veräußerte D im Jahr 2000 bei seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der X-GmbH an die Y-GmbH. Ebenfalls im Jahr 2000 veräußerte die Y-GmbH einen Geschäftsanteil an der X-GmbH von 0,99 % an F. Im Jahr 2000 gründete der Kläger die H-GmbH, deren Stammkapital von ... € er in voller Höhe übernahm. Gegenstand der H-GmbH war das Halten von Beteiligungen an Unternehmen aller Art und das Ausüben von Leitungsfunktionen. Der Kläger brachte seine bisher im Privatvermögen gehaltene Beteiligung an der X-GmbH mit notariell beurkundetem Beschluss vom 20.12.2001 zum Teilwert in die H-GmbH ein. Nach einer von der G-GmbH im Auftrag des Klägers erstellten Wertermittlung vom 12.12.2001 betrug der Teilwert 375.000 DM (191.734,50 €). In der Folge verhandelte der Kläger mit der Y-GmbH über den Erwerb weiterer Geschäftsanteile an der X-GmbH. Nach Abschluss dieser Verhandlungen erwarb die H-GmbH von der Y-GmbH mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18.12.2003 mit Gewinnbezugsrecht ab dem 1.5.2003 einen weiteren Geschäftsanteil an der X-GmbH von 10 % zum Kaufpreis von 200.000 €. Zum Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses war die Y-GmbH an der X-GmbH zu 93,02 %, die H-GmbH zu 5 % und die Herren E und F zu jeweils 0,99 % beteiligt.
In dem Vertrag vom 18.12.2003 war für den von der H-GmbH erworbenen Geschäftsanteil von 10 % eine Stimmrechtsbindung vereinbart. Die H-GmbH hatte hiernach ihre auf diesen Anteil entfallenden Stimmrechte übereinstimmend mit der Y-GmbH auszuüben. Für den Fall abweichender Stimmabgabe war eine Vertragsstrafe von 1.000 € vereinbart. Die H-GmbH verpflichtete sich außerdem, den von ihr erworbenen Anteil an die Y-GmbH oder einen von dieser benannten Dritten u.a. dann zu verkaufen und zu übertragen, wenn der Kläger als Geschäftsführer aus der X-GmbH ausschied, sein Amt niederlegte oder aus einem wichtigen, nicht von der Y-GmbH zu vertretenden Grund als Geschäftsführer abberufen werden sollte. Unmittelbar vor Abschluss des Vertrags vom 18.12.2003 hatten die Gesellschafter der X-GmbH die Satzung der Gesellschaft dahin geändert, dass die Einziehung von Geschäftsanteilen u.a. auch dann zulässig sein sollte, wenn ein Gesellschafter oder der Kläger als unmittelbarer oder mittelbarer Gesellschafter eines Gesellschafters oder als Treugeber eines Geschäftsanteils verstirbt. Im Dezember 2003 erwarb ein weiterer Mitgeschäftsführer der X-GmbH, J, von der Y-GmbH einen Anteil an der X-GmbH von 0,99 % zum Kaufpreis von 20.000 €. Den beiden Vertragsabschlüssen vorausgegangen war eine Bewertung des Unternehmens der X-GmbH auf den 30.4.2003 durch die Z-AG. Danach belief sich der Substanzwert des Unternehmens der X-GmbH am 30.4.2003 auf 704.186 €, der Ertragswert auf 2.408.438 € und der sich daraus ergebende Mittelwert auf 1.556.312 €. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung begann im Jahr 2006 erneut mit einer Außenprüfung beim Kläger. Die Prüferin gelangte im Hinblick auf das von ihr als zutreffend erachtete Gutachten der G-GmbH und aufgrund der ihrer Meinung nach bestehenden Fehlerhaftigkeit des Gutachtens der Z-AG zu der Auffassung, dass der tatsächliche Wert des von der H-GmbH erworbenen 10 %-Anteils an der X-GmbH erheblich über dem vereinbarten Kaufpreis gelegen, die Y-GmbH diesen Anteil mithin erheblich verbilligt an die vom Kläger beherrschte H-GmbH veräußert habe. Ein daraufhin eingeschalteter Fachprüfer der Groß- und Konzernbetriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass der Wert des von der H-GmbH erworbenen Anteils an der X-GmbH rd. 450.000 € betragen habe. Dabei ging der Fachprüfer von einem Unternehmenswert der X-GmbH am 30.4.2003 von 4.245.000 € und einer werterhöhend anzusetzenden "Kontrollprämie" von 25.000 € aus. Die Prüferin schloss sich der Unternehmensbewertung des Fachprüfers an.
Die X-GmbH erteilte daraufhin der N-AG den Auftrag, den Wert des Unternehmens zum 1.5.2003 zu ermitteln. Die N-AG kam bei ihrer Unternehmensbewertung zu dem Ergebnis, dass der Wert des Unternehmens der X-GmbH am 1.5.2003 2.442.500 € betragen habe. Dieser Wertermittlung folgte die Prüferin jedoch nicht. Sie war der Auffassung, die N-AG sei bei ihrer Wertermittlung von Daten ausgegangen, die sich (anders als die von der G-GmbH verwendeten Daten) gerade nicht bestätigt hätten. Im Hinblick darauf, dass es die Y-GmbH (nach Auffassung der Prüferin) von einer Ausnahme abgesehen jedem Geschäftsführer der X-GmbH ermöglicht habe, Anteile an der Gesellschaft zu erwerben, sah die Prüferin in der ihrer Ansicht nach verbilligten Überlassung des 10 %-Anteils an der X-GmbH eine Lohnzahlung an den Kläger. Die Y-GmbH habe dem Kläger in Höhe der Differenz zwischen dem Kaufpreis (200.000 €) und dem Wert der Beteiligung (450.000 €) Arbeitslohn zugewandt. Das FA folgte der Auffassung der Prüferin und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr (2003) unter Zugrundelegung von Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ... EUR fest. Das FG gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 25 veröffentlichten Gründen statt. Die Revision des FA ist begründet (BFH-Urteil vom 1.9.2016, VI R 67/14). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die Entscheidung des FG, dass die Y-GmbH dem Kläger mit der Veräußerung des Geschäftsanteils keinen Arbeitslohn zugewandt habe, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt. Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist.
Arbeitslohn kann auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt "für" eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Ist dies der Fall, kann auch die Zuwendung an einen Dritten als Arbeitslohn des Arbeitnehmers anzusehen sein. Eine Drittzuwendung ist dem Arbeitnehmer immer dann als Arbeitslohn zuzurechnen, wenn ihm über den Dritten ein Vorteil für geleistete Dienste zugewendet wird. Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Drittem gründet. Ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG; dies gilt auch für die Zuwendung eines Dritten. Denn ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich. Entscheidend sind die vorgefundenen objektiven Tatumstände, die vom FG als Tatsacheninstanz eigenständig zu würdigen sind.
Das FG wird im zweiten Rechtsgang nach diesen Maßstäben erneut zu prüfen haben, ob der (verbilligte) Erwerb des Geschäftsanteils an der X-GmbH seitens der H-GmbH durch das Dienstverhältnis des Klägers zur X-GmbH veranlasst war oder auf anderen privatrechtlichen, insbesondere im Gesellschaftsverhältnis wurzelnden oder besonderen persönlichen Gründen beruhte.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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