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Gerichte halten Baupreise in Deutschland für sittenwidrig

13.01.2011  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Baudienst.

Selten hat ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) so hohe Wellen geschlagen, wie das Diktum des obersten deutschen Zivilgerichts zu sittenwidrigen Preisen am Bau. In der Zwischenzeit sind einige Obergerichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gefolgt. Die Abrechnungspraxis von Baufirmen wird sich in Anbetracht dieser Entwicklung drastisch ändern müssen.

Am Anfang war der Bundesgerichtshof

Das Jahr 2008 wurde vom Bundesgerichtshof mit einem Paukenschlag beendet (Az.: VII ZR 201/06). Da lag nämlich eine Klage eines Bauunternehmens zur Entscheidung vor, mit der letzteres eine Werklohnforderung in Höhe von Euro 1,7 Millionen geltend machte. Der Betrag sollte nach Auffassung des Bauunternehmens und Klägers vom Auftraggeber für das Liefern und Verlegen von Baustahl bezahlt werden.

Der BGH wies die Forderung des Unternehmens allerdings mit deutlichen Worten zurück. Zwar entschied der BGH nicht in der Sache selber, sondern verwies die Angelegenheit an das Oberlandesgericht Jena als Berufungsgericht zurück.



Dem Berufungsgericht wurden vom BGH allerdings unzweideutige Vorgaben gemacht:

Der BGH ging nämlich davon aus, dass es vorliegend "naheliegend" sei, dass der vom Bauunternehmer abgerechnete Preis für den Baustahl sittenwidrig und damit nichtig war. Diese Annahme gründete der BGH auf der, durch Gutachten belegten, Tatsache, dass der vom Bauunternehmen verlangte Kilogrammpreis für den Baustahl in Höhe von DM 2.045,15 insgesamt 894-mal so hoch war wie der von dem Gerichtsgutachter ermittelte, gemeinhin übliche und angemessene Preis in Höhe von DM 2,47.

Ein solch drastisch überhöhter Preis stelle, so der BGH, ein auffälliges Missverhältnis zur angebotenen Gegenleistung dar und begründe die Vermutung eines "sittlich verwerflichen Gewinnstrebens" auf Seiten des ausführenden Unternehmens. Das Preis- und Abrechnungsgebaren des Bauunternehmens widerspreche, so der BGH weiter, eklatant dem vertraglichen Grundgedanken von einem "fairen, von Treu und Glauben geprägten Leistungsaustausch". Ein "exorbitantes Sprengen" des ortsüblichen Preisrahmens dürfte jedenfalls nicht hingenommen werden.

Der BGH stutzte die Preisvorstellungen des Bauunternehmens demnach in dem Urteil auf das Maß, das dem Gericht als fair erschien: Dem Bauunternehmen steht lediglich der ortsübliche, und gerade nicht der maßlos überhöhte, Werklohn zu.

Die Instanzgerichte folgen dem Bundesgerichtshof

Die Resonanz auf diese deutlichen Feststellungen des BGH war gewaltig. Je nach Interessenlage beklagte die eine Seite vehement einen unzulässigen Eingriff der Gerichte in einen dem freien Spiel der Kräfte unterliegenden Preiswettbewerb, während die Auftraggeberseite in dem Urteil ein lange überfälliges Fanal gegen ein immer stärker ausuferndes Nachtrags-Management der ausführenden Firmen sah.

Ungeachtet der lebhaften Diskussion schlossen sich in der Folge die Instanzgerichte der Rechtsauffassung des BGH an.

So hatte auch das Oberlandesgericht Dresden mit einer unbezahlten Rechnung eines Bauunternehmens für Baustahl zu tun (Az.: 4 U 1070/09). Auch hier war der Preis für den Stahl dermaßen überhöht, dass man auf die Idee kommen konnte, dass das ausführende Unternehmen keinen gewöhnlichen Baustahl, sondern wesentlich edlere Metalle zum Einsatz gebracht hat. Statt ortsüblicher Euro 1,50 wollte das Unternehmen seine Forderungen auf Grundlage eines Kilogrammpreises von Euro 843,00 abgerechnet wissen.

Auch in diesem Fall kam das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass der geforderte Einheitspreis sittenwidrig sei und es dem Bauunternehmen entgegen dem bauvertraglichen Kooperationsgebot ersichtlich lediglich darum gehe, einen unangemessenen Gewinn zu erzielen.

Und schließlich hatte auch das Oberlandesgericht Nürnberg mit einem Fall eines sittenwidrig überhöhten Einheitspreises zu tun (Az.: 2 U 1709/09). Das OLG Nürnberg nahm dabei die Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit eines Preises bereits für den Fall einer im Vergleich zum ortsüblichen Preis 8-fachen Überhöhung an. Die Sittenwidrigkeit sei, so das OLG, jedenfalls dann gegeben, wenn dem ausführenden Unternehmen im Zuge der Angebotsbearbeitung hätte auffallen müssen, dass Mengenangaben im Leistungsverzeichnis irrtümlich wesentlich zu niedrig angegeben waren. Dem in diesem Fall auf großzügige Nachtragsansprüche spekulierenden Bauunternehmen erteilte das OLG Nürnberg eine deutliche Abfuhr.

Die Folgen für die Praxis

Es wird spannend sein, zu beobachten, wie die Parteien eines Bauvertrages mit diesen neuen rechtlichen Vorgaben durch die Gerichte umgehen.

Es wäre naiv, wenn man erwarten würde, dass sich die derzeitig bei der Abwicklung größerer Bauvorhaben in Deutschland herrschenden Kriegszustände kurzfristig ändern. Zu weit hat man sich auf beiden Seiten mittlerweile von dem, von den Gerichten immer wieder gebetsmühlenhaft eingeforderten, Kooperationsgebot auf der Baustelle entfernt.

Aufgrund des nach wie vor bestehenden Preisdrucks und dem in der Praxis alleine entscheidenden Vergabekriterium des günstigsten Angebots, werden ausführende Unternehmen auch zukünftig wahrscheinlich der Versuchung nicht widerstehen können, erkannte oder vermeintliche Fehler in der Ausschreibung zu nutzen, um auf lukrative Nachtragsansprüche zu spekulieren.

Die Problematik ist jedoch mittlerweile bei den Gerichten angekommen. Und jedes ausführende Unternehmen, das weiterhin mit überzogenen Preisen - auch für einzelne Positionen - ins Rennen geht, muss sich darüber im Klaren sein, dass in Anbetracht der vorstehenden Rechtsprechung jederzeit eine deutliche Korrektur der angebotenen Preise nach unten möglich ist.

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Quelle: conjus GmbH
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