13.05.2015 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin, eine GmbH, stellt u.a. Drucksachen her. Ihre Gesellschafter sind zu je 50 % A und B. Diese sind in demselben Verhältnis an der C-GmbH beteiligt. Aus Lieferverträgen standen der Klägerin erhebliche Ansprüche gegen die C-GmbH zu. Diese leistete jedoch keine Zahlungen. Schließlich buchte die Klägerin ihre Forderungen mit der Begründung erfolgswirksam aus, dass, worüber kein Streit besteht, mittlerweile Verjährung eingetreten sei. Zu einer vergleichbaren Verjährung der Ansprüche gegenüber der C-GmbH war es bereits zwei Jahre zuvor gekommen. Das FA behandelte die Ausbuchung als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Seines Erachtens hätte ein ordentlicher Geschäftsleiter dafür Sorge getragen, dass nicht erneut Forderungen verjähren. Das FG Köln schloss sich mit seinem Urteil vom 13. März 2014 10 K 62/12 dieser Beurteilung an. Die Revision gegen sein Urteil ließ es nicht zu.
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (BFH- Beschluss vom 9.2.2015, I B 32/14). Soweit die Klägerin das Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. der §§ 105 Abs. 2 Nr. 6, 119 Nr. 6 FGO, einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, mangelnde Sachaufklärung und schließlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, werden Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht schlüssig geltend gemacht.
Indes geht aus der Beschwerdebegründung selbst hervor, dass das FG in den Urteilsgründen das Hauptargument der Klägerin, wonach die Forderungen aus betrieblichen Gründen nicht im Prozesswege geltend gemacht worden seien, als nicht überzeugend gewürdigt hatte. Mit den betrieblichen Gründen war ersichtlich das Vorbringen der Klägerin angesprochen, wonach der Verzicht auf die prozessuale Durchsetzung ein Beitrag zur Sanierung eines Geschäftskunden gewesen sei, dessen Weiterarbeit habe sichergestellt werden müssen. Die Begründung des FG war zwar recht knapp gehalten, aber sie war durchaus vorhanden. Eine bloß lückenhafte oder kurz gefasste Urteilsbegründung begründet aber keine Verletzung der §§ 105 Abs. 2 Nr. 5, 119 Nr. 6 FGO. Ferner sind im Streitfall keine besonderen Umstände ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass das Gericht das aktenkundige Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben könnte. Schließlich scheidet auch eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin aus. Denn nach dem vom FG eingenommenen Rechtsstandpunkt, auf den maßgeblich abzustellen ist, war die behauptete Sanierung der Schwestergesellschaft nicht von der Klägerin, sondern von den Gesellschaftern zu leisten. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung kam es ersichtlich auf die Aufklärung der näheren Umstände der beabsichtigten Sanierung nicht an. Im Kern macht die Klägerin mit ihren Verfahrensrügen lediglich geltend, dass das FG ihrem Sach- und Rechtsvortrag zur betrieblichen Veranlassung des "Verjährenlassens" der Forderungen nicht gefolgt ist. Dieser vermeintliche Fehler ist materiell-rechtlicher Art und kann die Revisionszulassung wegen eines Verfahrensverstoßes nicht rechtfertigen.
Die gerügte Divergenz zum Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29.6.1995 4 K 1587/93 (EFG 1995, 1074) ist nicht ordnungsgemäß dargelegt. Es fehlen substantiierte Ausführungen zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte. Während das FG Rheinland-Pfalz einen rechtsgeschäftlich zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbarten Teilverzicht auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu beurteilen hatte, geht es im Streitfall um das einseitige Nichtgeltendmachen von Forderungen vor dem zivilrechtlichen Verjährungsstichtag. Die Klägerin behauptet zwar, dass darin ein konkludenter Verzicht zu erkennen sei. Das versteht sich ohne nähere Darlegungen aber nicht von selbst. Denn im Verzicht ist regelmäßig ein Erlassvertrag i.S. des § 397 BGB zu erblicken. Es handelt sich damit um eine ausgehandelte rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner. Ein solcher Erlass kann, wenn er (regelmäßig im Zusammenwirken mit anderen Gläubigern) in der Absicht ausgesprochen wird, den Schuldner geschäftlich und finanziell gesunden zu lassen, als dann betrieblich veranlasste Sanierungsmaßnahme zu beurteilen sein. Im Streitfall hat das FG gerade nicht festgestellt, dass dem wiederholten Nichtergreifen verjährungsunterbrechender Maßnahmen ein vergleichbarer rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt zukam. Weder der Schuldner noch andere Gläubiger waren Teil einer wie auch immer gearteten Sanierungsvereinbarung, die vor dem Hintergrund einer substantiiert aufgeklärten wirtschaftlichen Situation des Schuldnerunternehmens getroffen wurde.
Es fehlt ferner an der erforderlichen Darlegung der sog. Entscheidungserheblichkeit oder Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage. Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nicht allein darauf an, ob das Verjährenlassen von Forderungen als konkludenter Forderungsverzicht und damit Sanierungsbeitrag gewertet werden kann. Die Annahme einer vGA muss in Anbetracht der beherrschenden Stellung von A und B und ihrer gleichgerichteten Interessen bereits unter dem Gesichtspunkt ernstlich erwogen werden, dass der behauptete Sanierungsbeitrag nicht Gegenstand einer klar und eindeutig im Voraus getroffenen Vereinbarung war.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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