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Erosion der Unternehmensmitbestimmung

14.06.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Die deutschen Mitbestimmungsgesetze sollen die demokratische Beteiligung von Arbeitnehmer*innen in Unternehmen sichern. Sie sind aber äußerst lückenhaft und bedürfen dringend einer Reform, wie eine neue Studie zur Erosion der Unternehmensmitbestimmung des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung belegt.

Wissenschaftliche Forschung zeigt immer wieder, dass paritätische Mitbestimmung in Unternehmen einen hohen Wert für die soziale Marktwirtschaft Deutschlands bietet und auch messbare ökonomische Vorteile bringt. Trotz dieser positiven Effekte steigt die Zahl der Unternehmen, die Mitbestimmung umgehen oder bewusst vermeiden. So wurde 2022 mindestens 2,45 Millionen Beschäftigten in Großunternehmen eine paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten versagt, ergibt die neue I.M.U.-Studie. Damit waren rund 300.000 Menschen mehr betroffen als noch 2019. Viele Arbeitgebende nutzen rechtliche Lücken, über die Mitbestimmung legal umgangen werden können, weitere ignorieren sogar geltende Gesetze, weil dies nicht mit wirksamen Sanktionen bewehrt ist. Im Ergebnis besaßen zuletzt von 1084 Unternehmen, die in Deutschland mehr als 2000 Beschäftigte haben und keinem „Tendenzschutz“ unterliegen, lediglich 656 den nach den Mitbestimmungsgesetzen ab dieser Größe vorgesehenen paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Das entspricht einer Quote von nur noch rund 60 Prozent mitbestimmter Unternehmen, während es 2019 noch gut 67 Prozent waren. Von den somit 428 Großunternehmen ohne paritätische Mitbestimmung bedienten sich 256 mit insgesamt mehr als 1,7 Millionen Beschäftigten in Deutschland legaler juristischer Kniffe zur Mitbestimmungsvermeidung – sei es gezielt oder als Nebeneffekt. Weitere 172 mit mehr als 720.000 Beschäftigten ignorierten rechtswidrig die Gesetze (siehe auch Abbildung 1 und 2 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

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„Mindestens vier von zehn Großunternehmen verweigern ihren Beschäftigten mittlerweile also die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat – sei es, indem sie nationale Gesetzeslücken oder durch europäisches Recht geschaffene Vermeidungsmöglichkeiten gezielt oder als Nebeneffekt ausnutzen, sei es indem sie die gesetzlichen Vorschriften schlicht ignorieren“, konstatiert Studienautor Dr. Sebastian Sick. Gegenüber 2019 ist die Zahl drastisch gestiegen – um mindestens 121 Unternehmen. Legale und illegale Mitbestimmungsvermeidung haben wesentlich dazu beigetragen, dass mittlerweile 111 Unternehmen weniger paritätisch mitbestimmt sind als vor gut 20 Jahren, so Sick. Auch im wichtigsten deutschen Börsensegment ist der Trend deutlich sichtbar: Hatte 2015 im damaligen DAX30 lediglich ein Unternehmen keine paritätische Mitbestimmung, so waren es bei der Bildung des DAX40 im Jahr 2021 zwölf. „Das deutsche Modell der Sozialpartnerschaft ist hierdurch ernsthaft gefährdet“, warnt der I.M.U.-Unternehmensrechtsexperte, der auch Mitglied der Regierungskommission zum Deutschen Corporate Governance-Kodex ist. Damit werde auch eine wichtige Ressource der deutschen Wirtschaft geschwächt. Denn Untersuchungen zeigen, dass mitbestimmte Unternehmen gerade in Umbruch- und Krisenzeiten erfolgreicher sind, dass sie ökologisch und sozial nachhaltiger agieren und mehr investieren (weitere Informationen unten).

Die Bundesregierung hat nach der letzten Bundestagswahl erklärt, einige der Gesetzeslücken schließen zu wollen, die es aktuell beispielsweise leicht machen, über die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) die Mitbestimmung von Beschäftigten zu verhindern. „Noch sind den Ankündigungen im Koalitionsvertrag keine Taten gefolgt. Doch wenn die Vorhaben umgesetzt würden, wären das zweifellos Schritte in die richtige Richtung“, betont Jurist Sick. „Sie reichen allerdings nicht aus. Einzelne Schlupflöcher zu schließen, während andere, ähnlich große, offen bleiben, würde zu einem Ausweichen auf andere Vermeidungsstrategien führen – oder, solange Verstöße gegen die Mitbestimmungsgesetze nicht ernsthaft sanktioniert werden, zum Ignorieren der Mitbestimmungspflicht.“ Anforderungen an ein wirksames Konzept zur Sicherung der Mitbestimmung hat das I.M.U. in seiner Studie formuliert. Neben notwendigen Reformen der nationalen Gesetzgebung zählen dazu auch Verbesserungen auf europäischer Ebene (mehr dazu am Ende der PM).

Familienunternehmen hebeln Mitbestimmung besonders häufig aus

Basis der neuen Studie sind Datenanalysen, die das Institut für Rechtstatsachenforschung zum Deutschen und Europäischen Unternehmensrecht der Universität Jena im Auftrag des I.M.U. vorgenommen hat. Ein Team unter Leitung von Prof. Dr. Walter Bayer hat dafür unter anderem Unternehmensdatenbanken, Jahresabschlussdaten und Handelsregister umfangreich ausgewertet. Trotz der bundesweit einmaligen intensiven Recherche bleibe eine Dunkelziffer, die neuen Zahlen zur Mitbestimmungsvermeidung beschreiben also eher die Untergrenze des Problems, betonen die Fachleute.

Auch so zeigt die Studie mit Datenstand 2022: In mehreren Branchen, darunter Facility Management, Leiharbeit, im Handel oder Gesundheitsbereich, hebelt sogar eine Mehrheit der Großunternehmen die paritätische Mitbestimmung legal oder illegal aus. So sind allein in großen Handelsunternehmen mindestens 930.000 Beschäftigte betroffen, in dieser Branche haben gerade einmal 28 Prozent der Firmen mit mehr als 2000 Beschäftigten einen mitbestimmten Aufsichtsrat. In der Industrie ist die Quote der Unternehmen, die eine Form der Mitbestimmungsvermeidung oder -ignorierung betreiben, mit 26 Prozent zwar unterdurchschnittlich. Aber auch dort summieren sich die Zahlen auf mindestens 98 Unternehmen mit mindestens 360.000 Beschäftigten (Abbildungen 2 und 3 in der pdf-Version).

Besonders häufig umgehen oder ignorieren Familienunternehmen die Mitbestimmungsgesetze: 66 Prozent der Unternehmen, die Mitbestimmung über Gesetzeslücken vermeiden, sowie 60 Prozent der Ignorierer sind in Familienbesitz.

Bei mittelgroßen Unternehmen, in deren Aufsichtsräten die Beschäftigten ein gesetzliches Anrecht auf ein Drittel der Mandate haben, setzt sich das Problem fort, zeigt die Studie: Rund 1470 Unternehmen in Deutschland haben 501 bis 2000 Beschäftigte im Inland und den für diese Größenklasse gesetzlich vorgesehenen drittelbeteiligten Aufsichtsrat. Für weitere mehr als 800 Unternehmen gilt die Drittelbeteiligung zwar ebenfalls, sie ignorieren aber gesetzeswidrig die Vorschrift. Sie haben keine Konsequenzen in Form von wirksamen Sanktionen zu befürchten. Extrem lückenhaft ist das Gesetz zudem bei seinem Geltungsbereich. Durch die so genannte „Drittelbeteiligungslücke“ im Gesetz sind rund 750 Unternehmen ähnlicher Größe erst gar nicht erfasst.

Mitbestimmung zu vermeiden, ist schlecht für den Standort

„Wenn demokratische Rechte nur auf dem Papier stehen, stellt das sowohl die Glaubwürdigkeit eines Rechtsstaats in Frage als auch die soziale Marktwirtschaft. Mitbestimmung auszuhöhlen ist politisch und ökonomisch ein Riesenfehler, eine Hypothek für die Zukunft der sozial-ökologischen Transformation“, sagt Dr. Daniel Hay. Nur durch die Sicherung und Weiterentwicklung von Mitbestimmung werde ein Vorteil für den Standort Deutschland erhalten, betont der wissenschaftliche Direktor des I.M.U. Zahlreiche ökonomische Studien belegen, dass Unternehmen, in denen die Beschäftigten über Betriebsräte und im Aufsichtsrat mitbestimmen, erstens bessere Arbeitsbedingungen bieten. Zweitens weisen mitbestimmte Unternehmen bei zentralen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen bessere Ergebnisse auf, sie verfolgen häufiger ein forschungs- und qualitätsorientiertes Geschäftsmodell, investieren mehr und betreiben seltener legale Steuervermeidung. Und sie agieren messbar nachhaltiger als Unternehmen ohne Mitbestimmung, wie eine aktuelle Auswertung ökologischer und sozialer Kennziffern der ESG-Indizes zeigt (siehe auch den Forschungsüberblick unten für alle Befunde).

Ganz besonders in Phasen von Krisen und Transformationsdruck schneiden Unternehmen besser ab, wenn Arbeitnehmer*innen im Aufsichtsrat mitentscheiden, hat eine Studie von Ökonomieprofessoren der Universitäten Göttingen und Marburg am Beispiel der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ergeben. „Mitbestimmung ist kein Nice-to-Have. Wir brauchen sie, wenn wir auch künftig erfolgreich sein wollen“, sagt Hay.


Detaillierte Ergebnisse der Studie:

Verbreitete Konstruktionen legaler Umgehung: Auslandskapitalgesellschaft & Co. KG, Einfrier-SE, Familienstiftungen

Die neue Studie gibt, mit Stand 2022, einen detaillierten Überblick über die fragwürdigen Strategien und Instrumente, mit denen Unternehmen die Mitbestimmung verhindern (Abbildung 4). Ein verbreitetes Vehikel, um die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat über eine juristische Lücke legal zu unterlaufen, sind gesellschaftsrechtliche Konstruktionen mit ausländischen Rechtsformen wie beispielsweise die B.V. & Co. KG oder die Nutzung von österreichischen GmbHs als persönlich haftende Gesellschafterinnen von deutschen KGs. Hintergrund ist folgender: Die deutschen Mitbestimmungsgesetze stammen aus einer Zeit, als die weitgehende europäische Niederlassungsfreiheit noch nicht absehbar war. Deshalb beziehen sie sich in ihrem Wortlaut ausschließlich auf Unternehmen in deutscher Rechtsform. Kombinieren Firmen deutsche und ausländische Rechtsformen, fallen sie nach herrschender juristischer Meinung allein deshalb nicht mehr unter das Mitbestimmungsgesetz. Das ist nach europäischem Recht auch Firmen möglich, die ihre Hauptverwaltung und den operativen Schwerpunkt ihrer Geschäfte in Deutschland haben.

2022 firmierten mindestens 72 Unternehmen mit jeweils mehr als 2000 inländischen Beschäftigten in so einer hybriden Rechtsform als Auslandskapitalgesellschaft & Co. KG, zehn mehr als noch 2019. Mindestens 399.000 dort Beschäftigten blieb dadurch die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat versagt (siehe Abb. 8 in der Studie; Link unten). Als Beispiele nennt das I.M.U. etwa den Textilhändler C&A Mode, den Fleischproduzenten Tönnies, den Landmaschinenbauer John Deere oder den Schiffsbauer Meyer Werft.

Nur jede sechste große SE ist paritätisch mitbestimmt

Ein weiteres großes und immer häufiger genutztes Schlupfloch, durch das Mitbestimmung umgangen werden kann, stellen die lückenhaften Vorschriften zur Europäischen Aktiengesellschaft (SE) dar. Es wird nach der I.M.U.-Analyse oft von jungen, wachsenden Unternehmen angewandt. Die Mitbestimmung wird einfach ausgehebelt, indem die Umwandlung zur SE erfolgt, bevor die Beschäftigtenzahlen erreicht sind, ab denen die nationalen Gesetze greifen. Immer wieder werden Firmen kurz vor Erreichen der entsprechenden Schwellenwerte von 501 inländischen Mitarbeitern für eine Drittelbeteiligung oder 2.001 für die paritätische Mitbestimmung zur SE umgewandelt. Da dabei bislang das Vorher-Nachher-Prinzip gilt, der Status quo ganz ohne oder mit geringerer Mitbestimmung also „eingefroren“ wird, können sich Firmen auf diese Weise unwiderruflich aus dem System der Mitbestimmung verabschieden – auch wenn sie später deutlich mehr Beschäftigte haben und weit über den Schwellenwerten liegen.

Die neue Untersuchung geht für 2022 von 68 Unternehmen mit zusammengenommen mindestens 300.000 Beschäftigten in Deutschland aus, die als SE mit mehr als 2000 Beschäftigten im Inland nicht paritätisch mitbestimmt sind. Prominente Beispiele sind der Autohersteller Tesla, der Impfstoffhersteller BioNtech, der Personaldienstleister Kötter, Flaschenpost, das Technologieunternehmen Freudenberg, der Baugerätehersteller Wacker Neuson sowie mit dem Wohnungsunternehmen Vonovia und dem Versandhändler Zalando sogar zwei DAX40-Konzerne. Besonders pikant: Ein Drittel dieser „Europa-AGs“ hat nahezu ausschließlich im Inland Beschäftigte. Zwei Drittel dieser „Inlands-SE“ befinden sich wiederum in Familienbesitz, beispielsweise Sixt, Deichmann, oder der Krankenhauskonzern Schön Klinik. Eine Variante ist die Rechtsform der SE & Co. KG. Insgesamt zählen die Forschenden zusätzlich mindestens 35 SE & Co. KG mit mindestens 179.000 Beschäftigten. Diese Gruppe ist in den letzten Jahren besonders schnell gewachsen.

Zusammengenommen haben also mindestens 103 SE bzw. SE-basierte Unternehmen mit jeweils mehr als 2000 inländischen Beschäftigten keinen paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat. Das sind fünf von sechs großen deutschen SEs, in denen zusammen fast 500.000 Menschen arbeiten. Beim restlichen Sechstel handelt es sich fast ausschließlich um etablierte Großunternehmen, die schon vor der Umwandlung mitbestimmt waren. „Bei der derzeitigen Rechtslage ist die SE ein Kernproblem für die Partizipation im Aufsichtsrat“, konstatiert Unternehmensrechtler Sick.

Weitere 81 Unternehmen mit zusammen mehr als 840.000 Beschäftigten in Deutschland ordnen die Expert*innen verschiedenen anderen Rechtskonstruktionen zu, bei denen Mitbestimmungsrechte von Beschäftigten legal blockiert werden. Insbesondere bei Einzelhandelsunternehmen beliebt sind Konstruktionen über (Familien-)Stiftungen. Damit operieren etwa die Discounter Aldi, Lidl, Teile der EDEKA-Gruppe, aber auch der Schraubenhersteller Würth.

Hunderte Unternehmen ignorieren Mitbestimmungsrechte

Neben den 256 legalen Mitbestimmungsvermeidenden zählen die Forschenden für 2022 mindestens 172 Unternehmen mit je mindestens 2000 inländischen Beschäftigten, die qua Größe und Rechtsform zwar gesetzlich verpflichtet sind, einen paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat einzurichten, diese Vorgabe aber schlicht ignorierten. Auch diese Gruppe ist stark gewachsen – seit 2019 um fast 60 Unternehmen. Als Beispiele für Unternehmen, die die Mitbestimmung, soweit nach den genutzten Quellen ersichtlich, ignorieren, nennt die Studie die Drogeriekette Rossmann, IKEA Deutschland oder den Lebensmittelhändler Alnatura. Hinzu kommen, wie beschrieben, mindestens rund 800 mittelgroße Unternehmen, die ihren Beschäftigten die Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat verwehren.

Obwohl sie geltende Gesetze brechen, müssen Unternehmen, die Mitbestimmungsrechte ignorieren, bislang keine ernsthaften Sanktionen fürchten. Arbeitnehmer*innen können zwar ein so genanntes Statusverfahren anstrengen, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass das Unternehmen zur Mitbestimmung verpflichtet ist. Doch dann könne es „immer noch von den vielfältigen Vermeidungsmodellen Gebrauch machen“, schreibt Sick. So wechselte beispielsweise die deutsche Tochter des Textilhändlers H&M gerade zu dem Zeitpunkt in die hybride Unternehmensrechtsform einer B.V. & Co. KG, als die Betriebsräte einen mitbestimmten Aufsichtsrat durchsetzen wollten. Ähnliches sei bei der Modekette Esprit passiert.

Wie Gesetzeslücken geschlossen werden können

Der Standortvorteil Mitbestimmung sei durch die vielen Umgehungsmöglichkeiten und Verstöße in Gefahr, warnen die I.M.U.-Experten Sick und Hay. Dabei habe der Gesetzgeber sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene etliche Möglichkeiten, der Mitbestimmung Geltung zu verschaffen. Sie empfehlen als zentrale Reformen:

  • Bei der Europäischen Aktiengesellschaft SE, und analog bei einigen ähnlichen, weniger bekannten Modellen, solle die Ampelkoalition ihre Ankündigung wahrmachen und gewährleisten, dass das „Einfrieren“ auf einem Status ohne oder mit geringer Mitbestimmung durch taktische Umwandlung in einem frühen Stadium verhindert wird. Ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Rüdiger Krause von der Universität Göttingen für das I.M.U. zeigt, dass das europarechtskonform möglich ist. Konkret heißt das: Steigt nach erfolgter Umwandlung in eine SE die Beschäftigtenzahl im Laufe der Zeit über die Schwellenwerte von 500 bzw. 2000 Beschäftigten, muss es die Chance geben, dass Mitbestimmungsrechte entsprechend mitwachsen.
  • Eine gesetzlich bindende Klarstellung, dass die Mitbestimmungsgesetze für alle kapitalistisch strukturierten Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in Deutschland gelten. Anders als heute könnte dann etwa die Mitbestimmung nicht mehr ausgehebelt werden, wenn ein Wirtschaftsunternehmen in einer Rechtskonstruktion mit einer Stiftung firmiert oder eine hybride Konstruktion mit deutscher und ausländischer Rechtsform wählt. Auch das ist europarechtskonform möglich, so das I.M.U. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Achim Seifert, Juraprofessor an der Universität Jena, hat dafür einen Gesetzentwurf ausgearbeitet.
  • Schließung der „Drittelbeteiligungslücke“. Diese führte beispielsweise dazu, dass im Wirecard-Aufsichtsrat keine Beschäftigtenvertreter*innen als Kontrollinstanz vertreten waren. Die Lücke beruht darauf, dass im Drittelbeteiligungsgesetz keine automatische Konzernzurechnung von Beschäftigten aus Tochterunternehmen vorgesehen ist. Ein Konzern bleibt daher ohne jede Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat, wenn er sich in eine Holding und verschiedene Töchter aufgliedert, die jeweils maximal 500 Beschäftigte haben und die nicht über formale „Beherrschungsverträge“ miteinander verbunden sind – auch wenn die verschiedenen abhängigen Unternehmen zusammengenommen weit mehr als 500 Beschäftigte haben. Auch hier hat die Bundesregierung Verbesserungen versprochen.
  • Unternehmen, die Mitbestimmungsgesetze rechtswidrig nicht anwenden, müssen effektiv sanktioniert werden bzw. die Durchsetzung der Mitbestimmung muss erleichtert werden.
  • Die EU-Kommission sollte eine Rahmenrichtlinie verabschieden, die europaweit generelle Mindeststandards für die Arbeitnehmerpartizipation setzt. Die Beteiligung der Arbeitnehmer*innen müsse als Kernelement der europäischen Corporate Governance verankert werden.

Bild: rawpixel.com (Pexels, Pexels Lizenz)

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