05.08.2014 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hatte im Jahr 2009 auf dem Weg von seinem Wohnort zur Arbeitsstelle an einer Tankstelle irrtümlich anstatt Diesel Benzin getankt und diese Falschbetankung erst während der anschließenden Weiterfahrt bemerkt. Die Arbeitgeberin des Klägers lehnte die Übernahme der Reparaturkosten ab.
Der Kläger beantragte im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 neben der Entfernungspauschale den Abzug der im Streitjahr 2010 gezahlten Reparaturaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Das FA ließ die Reparaturkosten im Einkommensteuerbescheid nicht zum Abzug zu. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machten die Kläger Werbungskosten für die Reparatur des PKW in Höhe von zuletzt 4.248 € geltend. Das FG gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1104 veröffentlichten Gründen statt.
Die Revision ist begründet (BFH Urteil vom 20.3.2014, VI R 29/13); sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Reparaturkosten neben der Entfernungspauschale bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abgezogen werden können.
Auf das Streitjahr (2010) ist nach § 52 Abs. 23d Satz 1 EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 (BGBl I 2009, 774) anzuwenden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen "sämtliche Aufwendungen" abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte veranlasst sind. Aus dem klaren Wortlaut der Norm ergibt sich, dass auch außergewöhnliche Kosten unabhängig von ihrer Höhe unter die Abgeltungswirkung fallen. Das Wort "sämtliche" ist insoweit eindeutig. Die umfassende Abgeltungswirkung folgt weiter aus der Systematik der Vorschrift. Mit dem Gesetz zur Einführung einer Entfernungspauschale vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1918) hat der Gesetzgeber zugleich zwei (hier nicht einschlägige) Ausnahmen geregelt. So können nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch dann angesetzt werden, wenn sie höher sind als die Entfernungspauschale. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 EStG können behinderte Menschen anstatt der Entfernungspauschale die tatsächlichen Kosten ansetzen. Der Gesetzeswortlaut bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Ausnahmen nur beispielhaft und nicht abschließend gemeint sind. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Die Einführung der verkehrsmittelunabhängigen Entfernungspauschale zum Veranlagungszeitraum 2001 diente neben umwelt- und verkehrspolitischen Erwägungen auch und vor allem dem jeder Typisierung innewohnenden Gedanken der Steuervereinfachung. So sollten durch die Abgeltung "sämtlicher Aufwendungen" insbesondere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Steuerpflichtigen und dem Finanzamt über die Berücksichtigung besonderer Kosten, z.B. für Abholfahrten, und außergewöhnlicher Kosten (z.B. Unfallkosten) vermieden werden. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn durch die Entfernungspauschale auch tatsächlich "sämtliche Aufwendungen" abgegolten werden. Eine Einschränkung der Abgeltungswirkung auf besondere Kosten (Mehrfach-, Umweg-, Dreiecks- und Abholfahrten) entspräche dem Vereinfachungsgedanken hingegen nicht.
Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, für den Fall außergewöhnlicher Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte eine Ausnahmeregelung zu treffen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Nach diesen Grundsätzen sind die streitbefangenen Reparaturaufwendungen infolge der Falschbetankung des PKW nicht als Werbungskosten neben der Entfernungspauschale abziehbar. Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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