30.06.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Die für die Vermeidung von Ansteckungen eingeführte Verpflichtung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zum Homeoffice wird nicht über den 30. Juni beibehalten. Welche Effekte könnte die Beendigung der Pflicht nach sich ziehen?
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Unter vielen Beschäftigten ist die Sorge vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus im beruflichen Kontext nach wie vor hoch – und könnte mit einer vierten Welle im Herbst durch die Delta-Variante wieder ansteigen. Noch im Mai hatte ungefähr ein Drittel Bedenken, sich bei der Arbeit anzustecken oder auf dem Weg zur Arbeit, etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Berufen mit einer hohen Kontaktfrequenz, die nicht ins Homeoffice ausweichen können. Die breite Mehrheit der Beschäftigten ist zudem noch nicht vollständig geimpft. Auf der anderen Seite wünscht sich fast die Hälfte der Erwerbstätigen mit Homeoffice, auch nach der Pandemie von zu Hause arbeiten zu können – wenn auch wieder mit stärkerer Einbindung an den betrieblichen Arbeitsplatz als bisher.
Forschungsergebnisse aus dem WSI und anderen Instituten der Hans-Böckler-Stiftung verweisen auf die Erfolge des Konzepts. Welche Erkenntnisse können wir im Rückblick über die verpflichtenden Maßnahmen ziehen?
Nach Anlaufschwierigkeiten im Frühjahr letzten Jahres, die den fehlenden organisatorischen Vorbereitungsmöglichkeiten geschuldet waren, hat Homeoffice sich für viele Beschäftigte und Betriebe zum Arbeitsalltag entwickelt. Die überwiegenden Erfahrungen von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen mit dem Instrument sind positiv. Dies gilt trotz der besonderen Situation in der Pandemie, in der aufgrund von Schul- und Kitaschließungen die Kinderbetreuungsmöglichkeiten entfielen und so Homeoffice mit der heimischen Betreuung von Kindern zusammenfiel. Unsere Erwerbspersonenbefragung 2021 zeigt, dass Menschen, die von zu Hause arbeiten konnten, ihre Arbeitssituation als weniger belastend einschätzten als Beschäftigte, die durchgehend den Betrieb aufsuchten. Plausible Gründe hierfür sind die Reduzierung oder die Vermeidung von Kontakten im Betrieb und der Wegfall von Pendelwegen, die etwa im Fall des öffentlichen Personennahverkehrs ebenfalls mit Infektionsrisiken verbunden sind. Solange noch kein vollständiger Impfschutz besteht und im Herbst auch eine vierte Welle durch die Delta-Variante droht, bleibt Homeoffice deshalb weiterhin ein probates Mittel, um Infektionsrisiken und die damit verbundenen psychischen Belastungen zu minimieren.
Während viele Menschen im Rahmen ihrer mobilen Arbeit eine neue Flexibilität schätzen, erfahren andere auch erhöhten Stress. Wieder andere haben gar nicht erst die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten. Welche Risiken und Nachteile bestehen in der momentanen Situation?
Vor allem können die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit leicht verschwimmen, was im ungünstigen Fall zur ständigen Erreichbarkeit und auch zu überlangen Arbeitszeiten bis hin zur Erholungsunfähigkeit führen kann. Bei rund 60 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice war das der Fall. Entgrenzung und Überstunden können aber auch das Resultat einer inadäquaten Arbeitssituation am heimischen Arbeitsplatz sein. So kann eine mangelhafte technische Ausstattung das Arbeiten erheblich stören, wenn beispielsweise das Warten auf stabile Internetverbindungen und nötige Zugänge zu erforderlichen betrieblichen Daten den Arbeitstag verlängert. Daneben entsteht eine besondere Herausforderung, wenn während der Arbeit im Homeoffice Kinder zu betreuen sind: Daraus resultiert eine erhebliche Doppelbelastung, die meist die Frauen trifft, welche die hauptsächliche Sorgearbeit leisten.
Und nicht zu vergessen: als erheblichen Stressor nennen die Beschäftigten den fehlenden Kontakt unter Kolleg:innen. Ihnen fehlt der soziale Austausch generell oder auch das lockere Besprechen von Arbeitsaufgaben.
Fast Forward zum 30. Juni: Wie könnte es bei positiver Impfentwicklung mit den Regelungen weitergehen? Wird das Homeoffice tatsächlich fester – und gesetzlich bestimmter – Bestandteil der Arbeitswelt, wie dies auch zunehmend in den Parteien gefordert wird?
Wir halten ein verbindliches Recht auf mobile Arbeit für sinnvoll. Denn die positiven Erfahrungen vieler Beschäftigter mit dem Homeoffice in der Pandemie zeigen sehr deutlich, dass der Wunsch nach mehr Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Arbeitswelt hoch ist. Auch Arbeitgeber haben größtenteils gute Erfahrungen gemacht, weil die Beschäftigten mehrheitlich auch von zu Hause erfolgreich und mit hohem Engagement gearbeitet haben. Das scheint manche Arbeitgeber überrascht zu haben, aber die positiven Beispiele sind zahlreich und stark.
Die Voraussetzungen für ein Recht auf Homeoffice sind in vielen Bereichen der Wirtschaft gegeben. Die Digitalisierung hat mittlerweile die nötigen technischen Voraussetzungen geschaffen, damit mehr Beschäftigte zumindest einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause oder anderen Orten aus verrichten können. Aufgrund der wachsenden Zahl an Zweiverdienst-Haushalten und den sich verändernden Arbeitsanforderungen in einer digitalisierten Arbeitswelt steigt für die Beschäftigten die Herausforderung, Beruf, Familie, Pflege, Weiterbildungen und andere Aktivitäten im Privatleben zu vereinbaren. Dies erfordert mehr örtliche und zeitliche Flexibilität.
Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten zudem darauf hin, dass eine fehlende Regulierung oftmals die Ursache sein kann für die erwähnten Risiken wie strukturelle Ungleichheiten, das vermehrte Auftreten von gesundheitsgefährdenden psychischen Belastungen, eine Vielzahl von unbezahlten Überstunden oder professionelle Isolierung. Ein gesetzlich verankertes Recht hat den Vorteil, einen regulativen Rahmen zum Schutz der Beschäftigten zu setzen. Folgende Aspekte sollten über ein Recht auf mobile Arbeit reguliert werden:
Bild: Andrea Piacquadio (Pexels, Pexels Lizenz)
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