23.01.2020 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: BITKOM - Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V..
In der Diskussion um die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet kritisiert der Digitalverband Bitkom den jüngsten Gesetzesentwurf der Bundesregierung als unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre von Nutzern. Laut dem im Dezember 2019 vorgelegten Entwurf sollen soziale Netzwerke dazu verpflichtet werden, IP-Adresse und Portnummer von Nutzern schon dann proaktiv an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten, wenn auch nur der Verdacht eines Vergehens besteht. „Es ist unbestritten, dass Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet entschieden bekämpft und konsequent strafrechtlich verfolgt werden müssen“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Aber mit dem jetzt vorgelegten Gesetz macht es sich die Bundesregierung zu einfach. Privatwirtschaftliche Unternehmen dürfen nicht in die Rolle von Strafverfolgungsbehörden und Richtern gedrängt werden.“
So werden Meldungen, die auf der rechtlichen Einschätzung von Mitarbeitern der Netzwerkbetreiber basieren, unzweifelhaft dazu führen, dass auch IP-Adressen und Portnummern von völlig unbescholtenen Nutzern an das BKA weitergeleitet werden. „Mit diesem Gesetz macht Deutschland einen Schritt in Richtung Überwachungsstaat. In Anbetracht drohender Bußgelder ist zu erwarten, dass Unternehmen im Zweifel Nutzerdaten ausleiten. So entstünde eine riesige Verdachtsdatei bei Behörden, die die Grundrechte Einzelner verletzt“, so Rohleder. Die Pflicht zur proaktiven Ausleitung von Nutzerdaten stelle zudem einen Systembruch mit geltendem Recht und bestehender Praxis dar. Statt erweiterter Befugnisse bräuchte es eine deutlich bessere Ressourcenausstattung der zuständigen amtlichen Stellen. Die ohnehin schon überlasteten Staatsanwaltschaften würden mit einer schwer überschaubaren Menge an Inhalten und Nutzerdaten schlicht überfordert, womit die Gefahr der ausbleibenden Strafverfolgung weiterbestünde. „Der Rechtsdurchsetzung im Internet wäre eher gedient, wenn Gerichten und Staatsanwaltschaften mehr Personal zur Verfügung stünde. Darüber hinaus gehört die Zusammenarbeit aller staatlich relevanten Stellen von Bund, Ländern und Kommunen verbessert.“
Durch die Schaffung neuer Auskunftsgrundlagen und -ermächtigungen birgt der Gesetzesentwurf aus Bitkom-Sicht auch das Risiko einer Online-Hausdurchsuchung ohne jede zusätzliche Sicherung. So soll eine Vielzahl von Behörden schon bei Ordnungswidrigkeiten auf sensible persönliche Daten wie Passwörter zugreifen können. Es ist unklar, inwieweit ein richterlicher Beschluss für die Herausgabe von Nutzerdaten erforderlich wäre. Die vorgesehene Verpflichtung für Telemediendiensteanbieter mit mehr als 100.000 Kunden, für die Entgegennahme der Auskunftsverlangen sowie für die Übertragung der Daten eine elektronische ‘Behörden-Schnittstelle‘ bereitzuhalten, würde eine enorm hohe Anzahl von Diensten umfassen und ist deshalb aus Sicht des Bitkom weder notwendig oder verhältnismäßig noch praktikabel, insbesondere für viele kleinere Anbieter.
Rohleder: „Die Bundesregierung möchte Handlungsstärke zeigen. Doch statt bisherige Maßnahmen auf Wirksamkeit zu prüfen, regiert der politische Aktionismus, wenn es um Hassrede im Internet geht.“ Das zeige auch der vergangene Woche zusätzlich in Umlauf gebrachte Entwurf für Änderungen des NetzDG.
Um Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet wirksam zu bekämpfen, plädiert Bitkom für eine europäische Lösung. „Hetze und Hass im Internet halten sich nicht an nationale Grenzen. Eine EU-weit einheitliche Regelung würde es Diensteanbietern und Strafverfolgungsbehörden einfacher machen, ihre begrenzten Mittel so wirksam wie möglich einzusetzen. Nationale Einzelgänge wie in Deutschland sind dafür kontraproduktiv“, so Rohleder. Es gelte, konstruktive, und praktikable Lösungswege im Kreise aller beteiligten Akteure zu finden.
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