Energiekonzept der Bundesregierung: Offene Fragen müssen jetzt rasch geklärt werden
Nach einer ersten ausführlichen Analyse der Eckpunkte für ein Energiekonzept der Bundesregierung kommt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu dem Schluss, dass noch wesentliche Punkte geklärt werden müssen. "Insgesamt gibt es im Eckpunktepapier wesentlich mehr Licht als Schatten für die Unternehmen der Energiewirtschaft. In der Diskussion kommen aber vor allem der Wettbewerb und die Kraft-Wärme-Kopplung zu kurz.
Die damit zusammenhängenden Fragen müssen von der Bundesregierung jetzt genauer beantwortet werden", erklärte Hildegard Müller, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. "Daher sollten auf den Fonds, der durch Sonderbeiträge der Kernkraftwerksbetreiber gebildet wird, Stadtwerke sowie kleine und mittlere Unternehmen der Energiewirtschaft privilegierten Zugriff haben", forderte Müller. Es sei richtig, dass nun aber wieder über alle Themen und über alle Unternehmen im Markt geredet werde, denn es gehe um ein Energiekonzept für alle.
Verteilnetze müssen ebenfalls berücksichtig werden
Positiv sei, dass dem notwendigen Netzausbau und der überfälligen Beschleunigung der Genehmigungsverfahren eine zentrale Rolle im Eckpunktepapier der Bundesregierung zukomme. Dies trage den Hinweisen des BDEW Rechnung, dass damit unmittelbar der Erfolg zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien verknüpft sei. "Die beabsichtigte Beschleunigung des Netzausbaus sollte allerdings nicht nur die Übertragungs-, sondern auch die Verteilnetzebene im Auge behalten. Denn gerade auch die regionalen und lokalen Verteilnetze müssen aufgrund des starken dezentralen Zubaus erneuerbarer Erzeugungsanlagen umgebaut werden", erläuterte Müller. Dies sollte bei der weiteren Konkretisierung des Energiekonzeptes berücksichtigt werden.
System zur Marktintegration erneuerbarer Energien notwendig
Der BDEW begrüßt, dass sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nach dem Willen der Bundesregierung stärker am Markt orientieren soll. Der weitere Ausbau der Erneuerbaren soll letztlich marktgetrieben erfolgen. Bis zum Jahr 2012 soll eine optionale Marktprämie eingeführt werden und der Ausgleichsmechanismus im Bereich der EEG-Strom-Vermarktung an der Börse weiterentwickelt werden, um zu einer stärker bedarfsgerechten Erzeugung und Nutzung zu kommen. Zudem soll die Grünstromvermarktung ohne EEG-Umlageerhöhung weiterentwickelt werden. "Wir fordern seit Längerem ein System zur Integration der Erneuerbaren. Die Einführung einer Marktprämie ist eine Möglichkeit dafür. Bedauerlich ist, dass dieses Modell erst mit der EEG-Novelle 2012 umgesetzt werden soll. Eine Umsetzung wäre aus unserer Sicht bereits 2011 möglich und sinnvoll", sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Finanzierung und Volumen des Effizienzsfonds unklar
Zur Umsetzung sehr ambitionierter Energieeffizienzziele spricht sich die Bundesregierung grundsätzlich für Eigenverantwortung statt Bürokratie aus. Es soll unter anderem das Pilotvorhaben zu sogenannten "Weißen Zertifikaten" ins Leben gerufen werden. So soll überprüft werden, ob mit Zertifikaten kostengünstig Einsparpotentiale erschlossen werden können. Dabei will die Regierung auch den BDEW einbinden. Müller: "Der BDEW wird in diesem Zusammenhang für eine sorgfältige Prüfung der Kosten-Nutzen-Aspekte sorgen."
Die Bundesregierung hat außerdem angekündigt, beim Bundeswirtschaftsministerium einen Energieeffizienzfonds aufzulegen. Weder die Finanzierung, noch das Volumen sind aber bislang definiert, stellt der BDEW fest. Aus dem Fonds sollen unter anderem Maßnahmen wie Energie- und Stromsparchecks für private Haushalte, Energiemanagementsysteme für kleine und mittlere Unternehmen oder kommunale Effizienzmaßnahmen finanziert werden.
"Eine Initiative Energieeffizienz der Bundesregierung mit dem Ziel der Information und Beratung sollte allerdings unbedingt auf bestehende Initiativen der Wirtschaft zurückgreifen", betonte Müller. Die Einbeziehung der Kundenservicestellen der Energieversorger und deren qualifizierte Kundenberatung zum Energiesparen würden zum Erfolg der Initiative entscheidend beitragen. Hildegard Müller: "Hier bieten bereits über 1.000 BDEW-Mitgliedsunternehmen interessante Angebote an." Ausdrücklich zu begrüßen sei der Einsatz von Finanzmitteln für kommunale Effizienzmaßnahmen zum Beispiel bei der Straßenbeleuchtung oder beim Energieeinsatz in Krankenhäusern. Auch die von der Regierung geplante Unterstützung von Modellprojekten sowie von Information und Bildung in den Kommunen könne insbesondere den kommunalen Energieversorgern zugute kommen.
Laufzeitverlängerung muss allen zugute kommen
Erfreulich sei, dass erstmals eine Bundesregierung die Entscheidung über die Laufzeiten von Kernkraftwerken in ein umfassendes Energiekonzept eingebettet habe. "Enttäuschend ist aber die fehlende Konkretisierung hinsichtlich einer wettbewerbsneutralen Ausgestaltung der Laufzeitverlängerung. Hier muss als finanzieller Ausgleich unter anderem auch eine verstärkte Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen. Wichtig ist jetzt, dass der Fonds, der durch Sonderbeiträge der Kernkraftwerksbetreiber gebildet wird, insbesondere den Stadtwerken sowie den kleinen und mittleren Unternehmen der Energiewirtschaft nutzbar gemacht wird. Sollte der Hinweis im Eckpunktepapier auf eine geplante Kosten-Nutzen-Analyse der KWK-Förderung das Ziel haben, die KWK-Förderung zu Gunsten des Emissionshandels aufzugeben oder einzuschränken, so wäre dies aus unserer Sicht energiewirtschaftlich nicht akzeptabel", erklärte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Geplante Gebäudesanierung ist extrem ambitioniert
Die Bundesregierung stellt in ihrem Energiekonzept besonders die "gewaltigen" Minderungspotenziale im Wärmemarkt heraus. 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen entfallen auf den Wärmemarkt. "Die Ziele, die sich die Bundesregierung dabei für die energetische Gebäudesanierung setzt, sind extrem ambitioniert. Den Wärmebedarf aller Gebäude über 80 Prozent zu senken, bedeutet faktisch einen großen Teil der Gebäude quasi komplett zu sanieren. Wie soll das gehen? Es muss allen Beteiligten klar sein, dass dies immense Anstrengungen erfordert, die viel Geld kosten", sagte Müller.
Erdgasfahrzeuge sind sinnvolle Option für Mobilitätsmarkt
Der BDEW begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung den Wegfall der befristeten Steuerbegünstigung von Erdgasfahrzeugen beschlossen hat. Voraussetzung ist laut dem Energiekonzept die Einspeisung von Biogas in das Erdgasnetz. Müller: "Der BDEW hat immer wieder darauf hingewiesen, dass mit Bioerdgas betriebene Erdgasfahrzeuge bereits heute als Option für CO2-neutrale Mobilität am Markt verfügbar sind." Bei der Elektromobilität bekennt sich die Bundesregierung zu den im Rahmen der nationalen Plattform Elektromobilität vereinbarten Zielen. Zur Förderung der Elektromobilität sollen im nächsten Schritt durch eine Änderung der Kennzeichnungsverordnung Elektrofahrzeuge im Straßenverkehr privilegiert werden, zum Beispiel mit der Erlaubnis, die Busspur oder öffentliche Parkplätze kostenlos nutzen zu können. "Aus Sicht des BDEW wäre aber insbesondere eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung wünschenswert", so Müller.
Stärkere Energieforschung ist richtig
Der BDEW betont, dass die vereinbarten Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung der Energieforschung in Deutschland richtig seien. Hildegard Müller: "Insbesondere die Idee zur Einrichtung einer Förderinitiative zum Thema "Netze und Energiespeicher" ist zu befürworten. Dass zukünftig 300 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für dringend benötigte Forschungsbemühungen auf dem Energiesektor zur Verfügung gestellt werden, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt auf dem Weg zum Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien."
Auch andere europäische Länder müssen sich Wettbewerb stellen
Der europaweite Netzausbau nimmt bei den Überlegungen der Bundesregierung viel Raum ein. Sie kündigt eine Planungs- und Normungsinitiative an. Unklar ist nach Einschätzung des BDEW allerdings, welche Rolle sich die Bundesregierung dabei zumisst. Die von der Europäischen Union beliehene europäische Organisation der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E ist bereits im Begriff, entsprechende Standardisierungen im Rahmen des 10-Jahres-Netzentwicklungsplans vorzunehmen. Angekündigt wird auch eine aktive Begleitung des angekündigten EU-Infrastrukturpakets verbunden mit der Forderung nach einer ausgeweiteten Finanzierung von Netzprojekten. Hildegard Müller: „Aus Sicht der Energiewirtschaft ist eine europaweite Abstimmung der Netzplanung grundsätzlich hilfreich. Dabei muss aber darauf gedrängt werden, dass sich auch andere Länder endlich für den Wettbewerb öffnen."
Energiewirtschaft wird Akzeptanzinitiative unterstützen
Die Bundesregierung erkennt in ihrem Energiekonzept an, dass der Umbau zu einer nachhaltigen Energieversorgung sowie die dafür erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen nur gelingen können, wenn die künftige Energiepolitik für die Bevölkerung verständlich und nachvollziehbar ist. Mit ihrer Ankündigung, gemeinsam mit Wirtschafts- und Umweltverbänden und allen interessierten gesellschaftlichen Gruppen nach Wegen zu suchen, wie der energiepolitische Konsens verbreitert werden kann, geht die Bundesregierung auf eine zentrale Forderung des BDEW ein. "Der BDEW hat eine nationale Akzeptanzinitiative immer wieder angemahnt. Die Durchsetzung wichtiger Infrastrukturvorhaben ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Energieversorger brauchen bei diesen wichtigen Auseinandersetzungen vor Ort die Rückendeckung der Politik und anderer Akteure", erläuterte Müller. Der BDEW sei zum Dialog bereit und werde ab Ende September im Rahmen einer eigenen Dialog-Offensive das Thema aufgreifen, um den Einstieg in eine konstruktive, ideologiefreie Debatte zu beschleunigen.
"In den kommenden Monaten wird es eine Vielzahl von Konkretisierungen und Einzelgesetzgebungen geben. Der BDEW wird diesen Prozess konstruktiv begleiten und sich weiterhin für eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung der zukünftigen Energiepolitik einsetzen", erklärte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Quelle: BDEW
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