24.04.2014 — Fabian Hesse. Quelle: Bauingenieur24.
Es ist noch nicht lange her. Am 10. März wurde in Dresden der Deutsche Brückenbaupreis 2014 in den beiden Kategorien Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie Fuß- und Radwegbrücken verliehen. Bereits zum fünften Mal seit 2006 durften sich zwei der sechs nominierten Ingenieurteams über die Auszeichnung der Bundesingenieurkammer (BIngK) und des Verbandes Beratender Ingenieure (VBI) freuen.
Der undotierte Ehrenpreis für Bauingenieure und ihre Werke hat sich innerhalb der Branche etabliert: "Er ist sehr wichtig, nicht zuletzt, weil es so wenige Auszeichnungen für Bauingenieure gibt", erklärt Manfred Curbach, Professor am Lehrstuhl für Massivbau der TU Dresden und Mitglied der Fachjury des Deutschen Brückenbaupreises.
Es gewinnen nicht nur die Preisträger
Was dem Filmemacher der Oscar, ist dem Brückenbauer der Brückenbaupreis. Zumindest für die deutschen Schöpfer dieser verbindenden Bauwerke gilt das: "Es gewinnen hier nicht nur die Preisträger, sondern jeder, der nominiert ist." Hans Georg Reinke, Prüfingenieur sowie Dozent an der Fachhochschule Frankfurt und seit 2012 berufenes Mitglied der Fachjury für den Deutschen Brückenbaupreis, verweist mit diesem Satz auf die Ziele des Preises: die Würdigung ingenieurtechnischer Bauleistungen und eine erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit. "Alle Teilnehmer, die es in die engere Auswahl schaffen, können sich über einen entscheidenden Prestigegewinn freuen", ist sich Reinke sicher. Zudem seien die Gewinner und Nominierten des Deutschen Brückenbaupreises für die Verleihung internationaler Preise immer interessant.
Deutscher Brückenbaupreis 2014: Preisträger und Nominierungen (Direktlink)
Trotz dieser Vorteile ist man sich innerhalb der Jury einig, dass die Reichweite und Öffentlichkeitswirkung des Preises ausgebaut werden müssen: "Als vor kurzem der internationale Pritzker-Preis vergeben wurde, war das in allen großen deutschen Tageszeitungen", zieht Manfred Curbach diesbezüglich den häufig bemühten Vergleich zwischen Bauingenieurwesen und Architektur.
Preisgewinn kann Türöffner sein
Ähnlich wie beim Film, hilft der Werbeeffekt durch ein fachlich und regional bedeutsames Medieninteresse den erfolgreichen Bewerbern um den Deutschen Brückenbaupreis dabei, neue Projekte im In- und Ausland für das eigene Unternehmen zu akquirieren. Der Preis kann sich somit als wirkungsvoller "Türöffner" erweisen, bestätigt Roland von Wölfel, einer der ersten Preisträger, gegenüber dem Online-Magazin für Bauingenieure. "Man wird schneller wahrgenommen, die Leute haben einen im Gedächtnis", berichtet von Wölfel. Neben der eigenen Wertschätzung und Anerkennung für die Arbeit, ist der Preis mit einem höheren Bekanntheitsgrad für beteiligte Unternehmen verbunden. Von Wölfel führt dies auf den Umstand zurück, dass der Preis unter den Brückenbauern inzwischen als Markenzeichen angenommen werde. "Auch wer ihn noch nicht gewonnen hat, identifiziert sich damit", so von Wölfels Beobachtung.
Von bauingenieur24 befragt, kann auch Roland Wetzel, Bauingenieur für ein Stuttgarter Büro, die positiven Effekte nach dem Gewinn des Preises 2006 bestätigen. Er spricht davon, dass es "fürs Unternehmen kein Schaden" gewesen sei. Der Bauingenieur stapelt dabei tief: Für manches Großprojekt außerhalb des eigenen Bundeslandes wurde sein Büro gerade erst aufgrund der Auszeichnung angesprochen und zur Ausschreibung zugelassen. "Das mit dem Deutschen Brückenbaupreis verbundene Renommee fördert durchaus den eigenen guten Ruf", sagt Wetzel. "Besonders von öffentlichen Auftraggebern erhalten wir dadurch eher einen Auftrag."
Bauingenieure bleiben bescheiden
Während sich in der Glitzerwelt Hollywoods die Regisseure ganz gerne einmal in den Mittelpunkt stellen, sucht man ein solches Verhalten bei den Gewinnern des Deutschen Brückenbaupreises vergeblich. Beauftragte Planungsbüros und ausführende Unternehmen teilen sich mit der Arbeit auch den Erfolg des gemeinsam zustande gebrachten Bauwerks. Alle Beteiligten scheinen sich stets bewusst zu sein, dass sie das jeweilige Projekt nicht allein zu verantworten haben.
Dieses Understatement mag zum größten Teil einem gesunden Realitätssinn der Bauingenieure geschuldet sein. Doch auch ein Aspekt der Verleihung des Brückenbaupreises mag bisher ebenso dazu beigetragen haben, die Bescheidenheit der Bauingenieure weiter zu pflegen. 2006, dem Jahr der ersten Auszeichnung, habe ausschließlich das Bauwerk im Fokus des Interesses gestanden, erinnert sich Roland von Wölfel. "Das unterschied den Preis zunächst von ähnlichen im Bereich der Architektur." Mittlerweile rückten die Köpfe hinter den Brückenbauten mehr und mehr ins Rampenlicht. Wölfel sieht darin eine positive Entwicklung: "Ein bisschen mehr Show muss sein, das hat man gelernt."
Gleiches bestätigt auch Jost Hähnel von der Bundesingenieurkammer dem unabhängigen Branchenmedium für Bauingenieure. Er wünscht der Branche grundsätzlich ein stärkeres Selbstbewusstsein im öffentlichen Auftreten: "Es ist nicht immer leicht, von den Teams einen einzelnen, maßgeblichen Ingenieur als Empfänger des Preises genannt zu bekommen." Oftmals mischten sich dann auch Architekten in den Kreis der Nominierten. Und das ist in Hähnels Augen ein Nachteil: "Der Preis soll den Bauingenieuren vorbehalten bleiben und sie gerade von den Architekten abheben."
Nicht zuletzt aus diesem Grund verzichte man auf eine finanzielle Dotierung. Den positiven Effekt des ideellen Preises sehen die Auslober vor allem in der Förderung der öffentlichen Wahrnehmung des einzelnen Ingenieurs, welche nach Einschätzung Hähnels mit Geld nicht zu gewinnen wäre: "Das große Interesse der fachlichen und politischen Prominenz zeigt, dass alle Preisträger nach der Verleihung tatsächlich mit einem höheren Bekanntheitsgrad rechnen können."
Preisträger für Vorträge immer interessant
Wer sich einmal der Öffentlichkeit als würdiger Träger des Deutschen Brückenbaupreises präsentieren konnte und dabei nicht allzu ungeschickt in die Kameras lächelte, hat gute Chancen, auch danach als interessanter Gesprächspartner angefragt und letztlich beauftragt zu werden. Dies weiß zumindest Roland von Wölfel zu berichten: "Die Zahl der Vorträge, die ich halten darf, hat zugenommen."
Preisträger 2012: Eisenbahnbrücke Scherkondetal. Foto: brueckenbaupreis.de
Dass der Preis nicht unbedingt sofort und in jedem Fall für mehr Aufträge und stärkeren Umsatz sorgt, kann Frank Ehrlicher gut einordnen. Der 2012 für seine "Blaue Welle", eine Fuß- und Radwegbrücke im sächsischen Flöha, ausgezeichnete Bauingenieur gibt sich gelassen: "Es handelt sich ja hier nicht um den Nobelpreis." Zur Selbstwahrnehmung seines Berufsstands gehört es, dass er mit dem Symbol seiner erfolgreichen Ingenieurskunst nicht hausieren geht. Lieber lasse er die Trophäe in Ruhe in seinem Arbeitszimmer stehen. Dort allerdings gut sichtbar für jeden Besucher, wie er sagt.
Nominierung von Bestandsbrücken
Die entscheidenden Kriterien für den Gewinn des Deutschen Brückenbaupreises haben sich in den letzten acht Jahren nicht verändert: "Es geht nach wie vor um Innovationen im Brückenbau, die durch ihre Gestaltung einen positiven Beitrag zur Brückenlandschaft leisten", erklärt Hans Georg Reinke.
Der Erhalt von Bestandsbrücken rücke darüber hinaus in den Vordergrund. "Die Bedürfnisse sind hier einfach enorm", nennt Reinkes Jurykollege Manfred Curbach den Grund, warum die Verleiher des Deutschen Brückenbaupreises sich diesem Thema öffnen.
Mit der erstmaligen Nominierung einer instand gesetzten Brücke in diesem Jahr habe man verstärkt Werbung für den Umbau von Altbrücken mittels neuartigem Know-how machen wollen, heißt es aus der Jury. Demnach sollen Bauingenieure und ihre Büros durch die neue Fokussierung animiert werden, sich vermehrt dem Erhalt und der technischen Verstärkung bestehender Brücken zu widmen. Zu dieser neuen Ausrichtung des Deutschen Brückenbaupreises passt es, dass auch dessen Schirmherr, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, den Investitionsstau im Bereich der Brückensanierung beenden will. Allein 2014 würden für die Erhaltung von Brücken, Tunneln und sonstigen Ingenieurbauwerken 950 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, sagte ein Sprecher.