25.03.2014 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
In einem früheren Beitrag haben wir Sie darüber informiert, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, in Zweifelsfragen zur lohnsteuerlichen Behandlung bestimmter Sachverhalte bei seinem Betriebsstättenfinanzamt eine sog. Anrufungsauskunft nach § 42e EStG einzuholen. Die vom Finanzamt erteilte Auskunft entfaltet Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung bleibt auch dann erhalten, wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Auffassung des Finanzamts unzutreffend ist. Die Bindungswirkung der erteilten Auskunft bleibt so lange erhalten, bis sich die Gesetzesslage ändert bzw. bis das Finanzamt die Anrufungsauskunft widerruft.
Der Bundesfinanzhof hatte sich jüngst mit der Streitfrage auseinandersetzen müssen, ob eine Anrufungsauskunft Bindungswirkung nur gegenüber dem Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens entfaltet oder auch gegenüber dem Wohnsitz-Finanzamt des Arbeitnehmers bei dessen Veranlagung zur Einkommensteuer.
font color="silver" size="-2">AnzeigeMit BFH-Urteil vom 17.10.13, VI R 44/12, stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die Finanzverwaltung im Falle einer Anrufungsauskunft im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens an diese auch gegenüber dem Arbeitnehmer gebunden ist. Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass das Finanzamt die aufgrund einer – unrichtigen - Anrufungsauskunft vom Arbeitgeber nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nicht im Haftungswege zurückfordern kann.
Im hier streitigen Sachverhalt hatte der Arbeitgeber aufgrund eines ergangenen BFH-Urteils eine Anrufungsauskunft beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt gestellt. Nachdem das Finanzamt die Rechtsauffassung des Arbeitgebers zunächst schriftlich bestätigt hat, führte der Arbeitgeber entsprechende Korrekturen durch. Im Anschluss an die vom Arbeitgeber durchgeführte Korrektur machte das Finanzamt einen Rückzieher und widerrief die zuvor erteilte Anrufungsauskunft. Dagegen legte der Arbeitgeber Einspruch ein. Nachdem der Arbeitgeber erfolglos vor dem Finanzgericht klagte, hob der Bundesfinanzhof die Aufhebungsverfügung auf.
Weil im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens keine Korrektur beim Arbeitgeber möglich war, schickte das Finanzamt eine Kontrollmitteilung an das Wohnsitz-Finanzamt des Arbeit-nehmers. Nachdem sich der Arbeitnehmer erfolglos an das Finanzgericht gewandt hat, bestätigte der Bundesfinanzhof die Rechtsauffassung des Arbeitnehmers.
Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass das Finanzamt den Arbeitnehmer nur dann als Schuldner der Lohnsteuer in Anspruch nehmen kann, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat. Dies war jedoch im hier streitigen Sachverhalt nicht der Fall. Es liegt keine vorschriftswidrige Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer vor, wenn ein Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt hat und genauso verfahren hat, wie das Finanzamt bestimmt hat. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber nicht vorgehalten werden, er habe die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Anrufungsauskunft materiell richtig oder unrichtig ist. Wenn der Arbeitgeber entsprechend einer Anrufungsauskunft verfahren hat, hat er den "Weisungen und Vorschriften" des Auftrag gebenden Finanzamts Rechnung getragen und damit die Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten und abgeführt.
Die vom Arbeitgeber aufgrund einer unrichtigen Anrufungsauskunft nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer kann nicht im Rahmen der Haftung durch den Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nachgefordert werden. Die Finanzverwaltung ist zwar nicht im Veranlagungsverfahren zur Einkommensteuer, aber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens und damit des Vorauszahlungsverfahrens auch gegenüber dem Arbeitnehmer gebunden. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass die Frage nach Anwendung der lohnsteuerrechtlichen Vorschriften einheitlich zu beantworten ist. Daher kann sich der Arbeitnehmer nach neuer höchstrichterlicher Rechtsprechung auf eine dem Arbeitgeber erteilte Auskunft berufen und der Arbeitgeber auf eine dem Arbeitnehmer erteilte Auskunft.
Der Bundesfinanzhof hält nicht mehr an seiner alten Rechtsauffassung fest, wonach das Finanzamt nicht daran gehindert ist, im Lohnsteuerverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen anderen, ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber. Ansonsten wäre, so der Bundesfinanzhof, das dem Arbeitnehmer eingeräumte Antragsrecht praktisch wertlos. Arbeitgeber und Arbeitnehmer wären gezwungen, jeweils einen gemeinsamen Antrag nach § 42e EStG zu stellen. Das Urteil vom 22.05.07, VI B 143/06, ist damit überholt.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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