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Anforderungen an die Begründung einer Mieterhöhung?

20.06.2017  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Landgericht Berlin.

LG Berlin / Urteil vom 06.07.2016 / 65 S 149/16.

BGB §§ 558, 558a, 558c, 558d
1. Der Vermieter in der Wahl seines Begründungsmittels einer Mieterhöhung auch dann frei, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt; er muss die entsprechenden Angaben dem Mieter nur (zusätzlich) mitteilen.
2. Die Begründung einer Mieterhöhung muss - in formeller Hinsicht - Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, dies in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können.
3. Ein Mietspiegel, der nicht die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt, kann als einfacher Mietspiegel im Sinne des § 558c Abs. 1 BGB zur Überzeugungsbildung des Gerichts von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 286 ZPO) herangezogen werden.
4. Existiert für die im Rechtsstreit gegenständliche Wohnung ein ordnungsgemäßer Mietspiegel, so darf dieser vom Gericht sogar dann berücksichtigt werden, wenn der Vermieter sich auf ein anderes Begründungsmittel bezieht; das Gericht ist im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung nicht (einmal) auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel beschränkt.
5. Sind die örtlichen Interessenvertreter sowie die Mieter- und Vermieterseite an der Erstellung des (einfachen) Mietspiegels beteiligt, spricht schon die Lebenserfahrung dafür, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet.
6. Die gute Verkehrsanbindung ist innerhalb des Berliner Stadtgebietes kein besonders herausragendes Merkmal, sondern weitgehend sichergestellt.

LG Berlin, Urteil vom 06.07.2016 - 65 S 149/16
vorhergehend:
AG Neukölln, 01.03.2016 - 5 C 249/15

In dem Rechtsstreit

...

hat die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 06.07.2016 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht .... als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 1. März 2016 -5 C 249/15- abgeändert und wir folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung ................. , EG links, von bisher 329,74 Euro um 49,46 Euro auf 379,20 Euro monatlich mit Wirkung ab dem 1. September 2015 zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a, 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete für die von diesen inne gehaltene Wohnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aus § 558 Abs. 1 BGB.

a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Erhöhungsverlangen der Klägerin vom 16. Juni 2014 formell wirksam, denn es entspricht (noch) den Anforderungen des § 558a BGB; es ist insbesondere entsprechend den Anforderungen des § 558a Abs. 2 BGB begründet worden. Zuzugeben ist dem Amtsgericht gleichwohl, dass sich das Erhöhungsverlangen im Grenzbereich zur formellen Unwirksamkeit bewegt, die Grenze hier aber nicht überschreitet.

Nach § 558a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Zur Begründung kann auf eines der in Absatz 2 der Vorschrift katalogartig aufgeführten Begründungsmittel Bezug genommen werden, nach § 558 Abs. 2 Ziff. 1 auf einen Mietspiegel im Sinne des § 558c BGB (einfacher Mietspiegel) oder § 558d BGB (qualifizierter Mietspiegel).

Liegt ein qualifizierter Mietspiegel vor und enthält dieser - wie hier - Angaben zu der Wohnung, so schreibt § 558a Abs. 3 BGB zwingend vor, dass der Vermieter diese Angaben in seinem Mieterhöhungsverlangen mitzuteilen hat. Aus Absatz 3 folgt im Umkehrschluss, dass der Vermieter in der Wahl seines Begründungsmittels auch dann frei ist, wenn ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt; er muss die entsprechenden Angaben dem Mieter nur (zusätzlich) mitteilen. Ausweislich der Gesetzesmaterialien wollte der Gesetzgeber das Mieterhöhungsverfahren damit transparenter gestalten. Er ging davon aus, dass die deutlich höheren Anforderungen an den qualifizierten gegenüber dem einfachen Mietspiegel eine besondere Gewähr für die Richtigkeit und Aktualität der in ihm enthaltenen Werte biete, was es rechtfertige, ihn schon an dieser Stelle zum "Maßstab" für die Mieterhöhung zu machen. Allerdings sollte dem Vermieter trotz Vorliegens eines qualifizierten Mietspiegels nicht die Möglichkeit genommen werden, sein Mieterhöhungsverlangen auf andere Begründungsmittel zu stützen, namentlich wenn er der Auffassung ist, dass der qualifizierte Mietspiegel für die konkrete Wohnung nicht die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergibt und er eine höhere Mieterhöhung geltend machen will (vgl. BT-Ds. 4553, S. 55).

Die Klägerin hat hier "zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete" auf den als Anlage beigefügten Auszug aus dem "derzeit gültigen Mietspiegel Berlin 2015" verwiesen und sich auf diesen ausdrücklich zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens unter Hinweis auf "§ 558a (2) Pkt 1 BGB" bezogen; sie macht keine Mieterhöhung geltend, die über das hinausgeht, was die Mietspiegeltabelle als mögliche ortsübliche Vergleichsmiete für die hier gegenständliche Wohnung ausweist.

Mit der Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel ist die Klägerin - formal betrachtet - zum einen ihrer Verpflichtung aus § 558a Abs. 3 BGB nachgekommen. Sie hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, denn sie hat das Mieterhöhungsverlangen auch ausdrücklich mit dem Berliner Mietspiegel 2015 begründet. Sie hat sich damit auf ein nach § 558a Abs. 2 BGB zulässiges Begründungsmittel bezogen und genügt auch den Anforderungen des § 558a Abs. 1 BGB.

Der Umstand, dass die Klägerin im Rahmen der Begründung des Mieterhöhungsverlangens einschränkend mitgeteilt hat, dass der Mietspiegel ihrer Auffassung nach "nicht qualifiziert im Sinne des § 558d (1) BGB" sei, ändert nicht daran, dass es sich nach § 558a BGB und den von der Rechtsprechung weitergehend entwickelten Anforderungen hier noch um ein formell wirksames Erhöhungsverlangen handelt.

Dem Ergebnis der formellen Wirksamkeit steht deshalb hier auch noch nicht entgegen, dass die Klägerin sich in der Klageschrift zwar weiterhin inhaltlich auf das außergerichtlich nach §§ 558ff BGB erklärte Mieterhöhungsverlangen bezieht, andererseits aber auf das Einholen eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete deshalb, weil sie - wie im Mieterhöhungsverlangen bereits mitgeteilt - den Mietspiegel für nicht qualifiziert im Sinne des § 558d BGB hält.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll die Begründung bei einer Erhöhung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete nach den Regelungen des MHG a. F. (nunmehr: §§ 558ff. BGB) sicherstellen, dass der Mieter sich aufgrund der mitgeteilten Daten darüber schlüssig werden kann, ob er der Mieterhöhung zustimmen will oder nicht. Der Einfluss des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verbiete es, durch restriktive Auslegung und Handhabung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für ein Mieterhöhungsverlangen die gesetzlichen Beschränkungen übermäßig zu verstärken und den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung der gesetzlich zulässigen Miete zu verkürzen. Die Gerichte dürfen insbesondere nicht Angaben verlangen, die im Gesetz nicht vorgesehen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.05.1986 - 1 BvR 494/85, in WuM 1986, 237 = Grundeigentum 1986, 849; Kammerbeschl. v. 08.09.1993 - 1 BvR 1331/92, in Grundeigentum 1993, 1146).

Wie auch das Amtsgericht zutreffend ausführt, soll die Begründung dem Mieter demnach vor allem die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, dies auch, um überflüssige Prozesse zu vermeiden (vgl. st. Rspr. BGH, Urt. v. 26.10.2005 - VIII ZR 41/05, in WuM 2006, 39; Versäumnisurt. v. 12.07.2006 - VIII ZR 215/05, in Grundeigentum 2006, 1162; Urt. v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07, in WuM 2008, 88; Urt. v. 03.02.2016 - VIII ZR 68/15, in MietPrax-AK; vgl. dem entsprechend auch: LG Berlin, Urt. v. 23.03.2010 - 65 S 165/09, in Grundeigentum 2010, 985).

Der Bundesgerichtshof hat diese Grundsätze weitergehend konkretisiert. Danach ist es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt. Es muss daher - in formeller Hinsicht - Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, dies in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (vgl. BGH Urt. v. 12.12.2007, a.a.O.).

Für die Beklagten als Erklärungsempfänger ergibt sich aus dem Erhöhungsverlangen, dass die Klägerin sich zur Begründung der begehrten Mieterhöhung auf den (in Auszügen beigefügten) Berliner Mietspiegel 2015 bezieht und daraus die sachliche Berechtigung der verlangten Mieterhöhung ableitet, was nach den vorstehend dargestellten Maßstäben ausreicht. Soweit sie in dem Schreiben bereits (ohne jede Begründung) in Frage stellt, dass der Mietspiegel den Anforderungen des § 558d BGB genügt, so ist dies unschädlich: nach § 558a Abs. 2 Ziff. 1 Alt. 1 BGB reicht zum einen die Bezugnahme auf einen einfachen Mietspiegel aus; zum anderen trägt die Begründung die begehrte Mieterhöhung formal betrachtet; ob sie am Ende auch materiell berechtigt ist, unterliegt der gesonderten Prüfung (vgl. BT-Ds. 14/4553, S. 54; BGH, Urt. v. 12.12.2007 - VIII ZR 11/07, in WuM 2008, 228).

Offen bleiben kann, wie zu entscheiden wäre, wenn der Mieter dem Mieterhöhungsverlangen konkrete Hinweise auf dessen sachliche Berechtigung deshalb nicht (mehr) entnehmen kann, weil der Vermieter schon im Erhöhungsverlangen angibt, dass der einzig in Bezug genommene Mietspiegel weder die Voraussetzungen des § 558c Abs. 1 BGB noch die des § 558d Abs. 2 BGB erfüllt. In diesem Fall könnte es - nach den höchstrichterlichen Maßstäben - an einer Begründung fehlen, weil auf die Angabe der Tatsachen verzichtet wird, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet. Soweit die Klägerin auch diese Möglichkeit unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich in Anspruch nimmt, übersieht sie, dass in den dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorliegenden Fällen, der Vermieter die Mieterhöhung stets auf eines der in § 558a Abs. 2 Ziff. 2 bis 4 BGB genannten Begründungsmittel gestützt hat, der Mieter also wusste, auf welche Tatsachen der Vermieter die Mieterhöhung stützt.

Wenn der Gesetzgeber dem Vermieter mit der freien Wahl des Begründungsmittels nach § 558a Abs. 2 BGB auch bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels nicht die Möglichkeit nehmen wollte, sein Mieterhöhungsverlangen auf andere Begründungsmittel zu stützen, insbesondere dann, wenn er der Auffassung ist, der qualifizierte Mietspiegel gebe für die konkrete Wohnung nicht die ortsübliche Vergleichsmiete wieder, so lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass er damit gerade formellen Begründungsmängeln vorbeugen wollte, die sich bei einer zwingenden Bezugnahme auf den qualifizierten Mietspiegel ergeben würden (vgl. BT.-Ds. 14/4553, S. 55).

Offen bleiben kann hier auch, ob sich eine andere rechtliche Bewertung ergäbe, wenn die Erklärungen der Klägerin im Prozess als nachgebessertes Erhöhungsverlangen i. S. d. § 558b Abs. 3 BGB anzusehen wären und sie - wie hier - auf die Bezugnahme auf eines der in § 558a Abs. 2 BGB - hier ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen - verzichtet.

Zuzugeben ist dem Amtsgericht dessen ungeachtet, dass es widersprüchlich erscheint, wenn der Vermieter hinsichtlich der Begründung seines Mieterhöhungsverlangens die Vereinfachungen der Mietrechtsreform 2001 nutzt, im Prozess dann aber das gewählte Begründungsmittel gleichsam "demontiert."

Die (widersprüchlichen) Erklärungen der Klägerin wirken sich hier jedoch wegen der (strengen) Differenzierung zwischen den formellen Anforderungen an ein Erhöhungsverlangen einerseits und der Überprüfung seiner materiellen Berechtigung andererseits, wobei für letztere Maßstab keine formellen Gesichtspunkte, sondern die richterliche Überzeugung nach § 286 ZPO ist.

Dahin stehen kann daher, ob der Berliner Mietspiegel 2015 den Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB genügt, was allein die Klägerin in Abrede stellt. b) Die materielle Berechtigung der verlangten Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ist hier auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2015 als einfachem Mietspiegel iSd § 558c BGB zu überprüfen.

Nach gesicherter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer stets gefolgt ist, kann ein Mietspiegel, der - wie hier von der Klägerin geltend gemacht - nicht die Anforderungen des § 558d Abs. 1 BGB erfüllt, als einfacher Mietspiegel im Sinne des § 558c Abs. 1 BGB zur Überzeugungsbildung des Gerichts von der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 286 ZPO) herangezogen werden.

Existiert für die im Rechtsstreit gegenständliche Wohnung ein ordnungsgemäßer Mietspiegel, so darf dieser vom Gericht sogar dann berücksichtigt werden, wenn der Vermieter sich auf ein anderes Begründungsmittel bezieht; das Gericht ist im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung nicht (einmal) auf das im Erhöhungsverlangen des Vermieters genannte Begründungsmittel beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012 - VIII ZR 46/12, WuM 2013, 110 = Grundeigentum 2013, 197). Es darf seine Überzeugungsbildung insbesondere auf einen (einfachen) Mietspiegel im Sinne des § 558c Abs. 1 BGB stützen, der die Voraussetzungen des § 558d Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Ihm kommt zwar nicht die dem qualifizierten Mietspiegel vorbehaltene Vermutungswirkung (§ 558d Abs. 3 BGB) zu; er stellt aber ein Indiz dafür dar, dass die angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend wiedergeben; wie weit die Indizwirkung reicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, welche Einwendungen gegen den Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels erhoben werden (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2010 - VIII ZR 99/09, WuM 2010, 505 = Grundeigentum 2010, 1049). Voraussetzung für die Berücksichtigung des Mietspiegels als Indiz im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung ist, dass er die Tatbestandsmerkmale des § 558c Abs. 1 BGB erfüllt (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2012, a.a.O.).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Nach § 558c Abs. 1 BGB ist ein (einfacher) Mietspiegel eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist.

Der Berliner Mietspiegel 2015 wurde ausweislich der Angaben unter Ziffer 1. von der Gemeinde - dem Land Berlin - und Interessenvertretern der Mieter - dem Berliner Mieterverein e. V., Landesverband Berlin, der Berliner MieterGemeinschaft e. V., dem Mieterschutzbund e. V. - sowie einem Interessenvertreter der Vermieter - dem BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. erstellt, zu deren Mitgliedsunternehmen die Klägerin über die Muttergesellschaft im Übrigen gehört. Die vorgenannten Interessenvertreter haben den Mietspiegel sogar als qualifizierten Mietspiegel gemäß § 558d BGB ausdrücklich anerkannt, insbesondere weil er "nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen" fortgeschrieben wurde, was die Klägerin nunmehr im Prozess ohne nähere Begründung in Abrede gestellt hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen sich der letztgenannte Umstand auf die Überzeugungsbildung vom Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels nach den Maßstäben des § 286 ZPO gegebenenfalls auswirkt bzw. unter dem vom Amtsgericht angesprochenen Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB zu berücksichtigen sein könnte, kann hier offen bleiben.

Weder dem Wortlaut der Vorschrift noch den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass eine bestimmte Anzahl von Interessenvertretern bei der Erstellung mitgewirkt haben muss; auch die Anerkennung (als einfacher) Mietspiegel) ist nicht Tatbestandsvoraussetzung, wird lediglich alternativ genannt.

Unter den hier gegebenen Umständen - der Beteiligung der örtlichen Interessenvertreter sowie der Mieter- und Vermieterseite an der Erstellung - spricht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sodann schon die Lebenserfahrung dafür, dass der Mietspiegel die örtliche Mietsituation nicht einseitig, sondern objektiv zutreffend abbildet (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2010, a.a.O.). Gründe, die diese Annahme in Frage stellen, werden von keiner Partei vorgetragen; der Berücksichtigung des neuen Vortrags der Klägerin in Reaktion auf die Berufungserwiderung unmittelbar vor dem Termin stehen bereits §§ 529, 531, 520 Abs. 3 Ziff. 3, 4 ZPO entgegen, denn Einwendungen gegen den Erkenntniswert der Angaben des Mietspiegels sind zu erheben, nicht etwa von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH Urt. v. 16.06.2010, a.a.O.).

c) Die von der Klägerin geltend gemachte Miete entspricht der ortsüblichen Vergleichsmiete für die - hinsichtlich der (unstreitigen) Größe, Ausstattung und Bezugsfertigkeit - in das Mietspiegelfeld G 1 des Berliner Mietspiegels 2015 einzuordnende Wohnung, das eine Mietzinsspanne von 4,40 Euro/m2 bis 7,52 Euro/m2 und einen Mittelwert von 5,62 Euro/m2 ausweist. Dem liegen unter Berück- sichtigung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung als Schätzgrundlage folgende Feststellungen zugrunde:

In den Merkmalgurppen 1 (Bad), 2 (Küche) und 5 (Wohnumfeld) überwiegen weder den Wohnwert mindernde noch erhöhende Merkmale.

Im Rahmen der letztgenannten Merkmalgruppe verweist die Klägerin ohne Erfolg auf die gute Anbindung an den Personennahverkehr. Ein dem Merkmal der bevorzugten Citylage vergleichbares, den Wohnwert erhöhendes Gewicht kann dem - jedenfalls für Berliner Verhältnisse - nicht ohne weiteres beigemessen werden. Die gute Verkehrsanbindung ist innerhalb des Berliner Stadtgebietes - die Klägerin trägt dazu auch nicht näher vor - kein besonders herausragendes Merkmal, sondern weitgehend sichergestellt; ob umgekehrt eine besonders schlechte Verkehrsanbindung - ohne gesonderte Berücksichtigung im Rahmen der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel zu einer Wohnwertminderung führen könnte, kann hier offen bleiben.

Die Beklagten machen ohne Erfolg im Rahmen der Merkmalgruppe 5 das Merkmal der Lage der Wohnung in stark vernachlässigter Umgebung in einfacher Wohnlage geltend. Die Wohnung wird ausweislich des Straßenverzeichnisses zum Berliner Mietspiegel zwar einer einfachen Wohnlage zugeordnet. Hinzutreten muss nach der Beschreibung des Merkmals eine starke Vernachlässigung, das heißt ein Unterlassen von Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die eine gewisse Dringlichkeit erreichen; die Vernachlässigung darf zudem nicht nur vorübergehend sein, sondern muss nachhaltig und ein jedenfalls den Durchschnitt überschreitendes Maß erreichen, für die Wohngegend, das Wohnumfeld prägend sein (vgl. dazu auch AG Neukölln, Urt. v. 10.03.2004 - 19 C 214/03, juirs Rn. 22).

Diese Voraussetzungen sind hier nach dem Vortrag der Beklagten - seine Richtigkeit unterstellt - (noch) nicht gegeben. Zwar deuten die Müllablagerungen und Graffitti an den Rollläden der Belagten bereits auf eine Vernachlässigung hin, erreichen aber nicht das Maß, das die Annahme einer starken Vernachlässigung rechtfertigen könnte. Soweit die Beklagten dies aus der Überbelegung von nicht näher bestimmten Wohnungen im Hause ableiten sowie daraus, dass sich im dort angrenzenden Bereich des Treppenhauses ständig Personen aufhielten und der Bereich mit Dreck sowie Zigarettenresten übersäht sei, fehlt es an der Mitteilung der konkreten Verhältnisse, insbesondere in welchem Maß diese gegeben sind, woraus die Beklagten den Rückschluss auf eine Überbelegung von Wohnungen ziehen, wie diese konkret aussieht, wie viele Wohnungen davon betroffen sind. Offen bleiben kann daher, ob eine etwaige Überbelegung von Wohnungen und die hier angedeuteten Begleitumstände die Annahme einer starken Vernachlässigung zu tragen geeignet wären.

Die Ausstattung nach den in den Merkmalgruppen 3 (Wohnung) und 4 (Gebäude) zusammengefassten Merkmalen kann letztlich offen bleiben. Die von der Klägerin geltend gemachte Erhöhung der Nettokaltmiete ist auch gerechtfertigt, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass wohnwertmindernde Merkmale überwiegen.

Werden vom Mittelwert (5,62 Euro/m2) 40 % der Differenz zwischen dem Mittelwert und dem Spannenunterwert (4,40 Euro/m2) des Mietspiegelfeldes subtrahiert, so ergibt sich eine ortsübliche Vergleichsmiete von 5,13 Euro/m2. Dieser Betrag übersteigt die von der Klägerin verlangte Miete von 5,07 Euro/m2.

c) Die Kappungsgrenze gem. § 558 Abs. 3 BGB i. V. m. d. Kappungsgrenzen-VO Berlin vom 7. Mai 2013 ist ebenso wie die Sperrfrist gem. § 558 Abs. 1 BGB gewahrt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

3. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Materialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.



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