04.03.2020 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hans Böckler Stiftung.
Zu diesem Ergebnis kommt ein neues Gutachten von Prof. Dr. Peter Wedde. Zusätzlich rät der Arbeitsrechtler, den Einsatz von Informationen in arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen, die Arbeitgeber unter Verstoß gegen einschlägige gesetzliche Verarbeitungsverbote oder -beschränkungen erlangt haben, gesetzlich zu unterbinden. Die Expertise ist Teil des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekts „Automatisiertes Personalmanagement und Mitbestimmung“ unter der Leitung von AlgorithmWatch.
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Die Digitalisierung krempelt das Personalmanagement um: Selbstlernende Algorithmen machen es möglich, bestimmte Aufgaben komplett zu automatisieren. Programme können beispielsweise Bewerbungsunterlagen sortieren und geeignete Kandidaten herausfiltern, per Sprachanalyse Interviews auswerten, durch die Analyse von Beschäftigtendaten Empfehlungen für Weiterbildungen oder Kündigungen generieren. Der Rechtswissenschaftler Peter Wedde von der Frankfurt University of Applied Sciences hat sich in seinem Gutachten mit dieser Entwicklung auseinandergesetzt. Seine Empfehlung: „Um Beschäftigte vor den Möglichkeiten und insbesondere vor dem immanenten hohen Kontrollpotential zu schützen, das sich mit KI-Software und mit selbstlernenden Algorithmen verbindet, ist ein Ausbau bestehender Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte durch den Gesetzgeber unumgänglich.“
Wenn Unternehmen in großem Umfang Personaldaten erfassen und von Künstlicher Intelligenz (KI) auswerten lassen, werden dem Gutachten zufolge völlig neue Formen der Überwachung möglich, die mit erheblichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten verbunden sind. Um zu entscheiden, inwieweit solche Eingriffe zulässig sind, müsse das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre mit den Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden. Dabei gelte das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Es sei „im Arbeitsleben nicht alles erlaubt, was geht, sondern nur, was einerseits aus objektiver Sicht erforderlich ist und was andererseits von mehreren Alternativen diejenige ist, die am wenigsten in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten eingreift.“
Was rechtlich nicht geht, lasse sich unter anderem aus Urteilen zur Zulässigkeit von Videoüberwachung im Betrieb ableiten, schreibt Wedde. Permanente digitale Überwachung der Beschäftigten wäre demnach unverhältnismäßig. Heimliche Kontrollen seien nur dann erlaubt, wenn der konkrete Verdacht auf eine strafbare Handlung oder eine andere schwere arbeitsrechtliche Pflichtverletzung besteht. Im Umkehrschluss heiße das: Arbeitgeber sind verpflichtet, den Beschäftigten die Funktionsweise der eingesetzten KI-Systeme offenzulegen. Die Informationen müssen verständlich, nachvollziehbar und für jeden zugänglich sein.
Auch Betriebsräte haben laut dem Autor in diesem Zusammenhang umfangreiche Informationsansprüche. Denn zu ihren Aufgaben gehöre es, die Einhaltung der zugunsten von Beschäftigten geltenden Gesetze zu überprüfen. Um einschätzen zu können, ob KI-Systeme beispielsweise bestimmte Arbeitnehmer diskriminieren und damit gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen, sei eine genaue Kenntnis der eingesetzten Algorithmen nötig.
Bisweilen, so der Rechtswissenschaftler, seien Betriebsräte damit konfrontiert, dass Arbeitgeber selbst nicht über die notwendigen Informationen verfügen, weil Anbieter komplexer Personalinformationssysteme ihre Algorithmen geheim halten oder weil die Funktionsweise selbstlernender Software auch den Anbietern nicht mehr vollständig bekannt ist. Dieses Argument sei wenig schlüssig: Arbeitgeber könnten sich nicht auf die Position des Nichtwissens zurückziehen und so Arbeitnehmerrechte und Mitbestimmung aushebeln. „Sie müssen bei der Auswahl von IT-Systemen sicherstellen, dass sie über die hier hinterlegten Algorithmen so umfangreich informiert werden können, dass sie sowohl ihren Arbeitnehmern als auch den zuständigen Betriebsräten die diesen gesetzlich zustehenden Informationen geben können.“
Über die Informationsansprüche hinaus hätten Betriebsräte auch einschlägige wirksame Mitbestimmungsrechte, betont der Jurist. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht beispielsweise vor, dass Arbeitnehmervertreter mitbestimmen können bei der Einführung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, Verhalten oder Leistung zu überwachen.
Um die Rechte der Beschäftigten wirksam zu schützen, empfiehlt Wedde zum einen die Einführung eines gesetzlichen „Beweisverwertungsverbots“ für widerrechtlich erlangte Informationen. Bislang könnten Arbeitgeber solche Informationen für arbeitsrechtliche Maßnahmen nutzen und sogar mit Aussicht auf Erfolg bei einem Prozess vor dem Arbeitsgericht verwenden. Zweitens sollten Arbeitgeber gesetzlich ausdrücklich verpflichtet werden, nur solche Techniken einzusetzen, deren Funktionsweise sie detailliert kennen. Drittens sei ein Ausbau der Mitbestimmungsrechte unumgänglich. Betriebsräte sollten einen Anspruch darauf haben, einen externen Sachverständigen nach eigener Wahl hinzuziehen, wenn es um KI geht. Außerdem brauche es ein Mitbestimmungsrecht zum Datenschutz.
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