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Aktuelle Rechtsprechung - 2. Halbjahr 2015 (Teil 3)

03.05.2016  — Melanie Eilers, Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Rechtsprechung hatte sich auch im zweiten Halbjahr 2015 wieder mit vielfältigen Fragen des Baurechts zu befassen.

Lesen Sie hier noch einmal den zweiten Teil des Artikels »

  1. Fehlende Unterlagen berechtigen nur dann zur Verweigerung der Abnahme, wenn sie für die Funktionstauglichkeit zwingend erforderlich sind.
  2. Das OLG Köln beantwortet in seinem Urteil noch einmal die in der Praxis immer wieder aufkommende Frage, welche Unterlagen bei der Abnahme vorliegen müssen.

    In dem zugrundliegenden Sachverhalt lagen bei der Abnahme der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten die Protokolle der Druck- und Dichtigkeitsprüfung der Leitungen nicht vor. Der Auftraggeber verweigerte deshalb die Abnahme und die Zahlung des Werklohns. Zu Unrecht!

    Das OLG Köln bestätigt die obergerichtliche Rechtsprechung, nach der fehlende Unterlagen den Auftraggeber nur dann zur Verweigerung der Abnahme berechtigen, wenn sie für die Funktionstauglichkeit des Werkes zwingend erforderlich oder gesetzlich vorgeschrieben sind. Nur in diesem Fall ist die Leistung des Auftragnehmers noch nicht im Wesentlichen erbracht, so dass der Auftraggeber das Recht hat, die Abnahme zu verweigern. Solche wesentlichen Unterlagen können beispielsweise Schaltpläne und Bedienungsanleitungen sein, wenn das Werk ohne diese nicht betrieben werden kann.

    Fehlen Unterlagen, die nichtzwingend erforderlich sind, zu deren Vorlage der Auftragnehmer aber verpflichtet ist, steht dem Auftraggeber aber ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe der doppelten Herstellungskosten dieser Unterlagen zu (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2015 - 6 U 135/14). Je nach Umfang der fehlenden Unterlagen und der entsprechenden Herstellungskosten kann der Auftraggeber berechtigt sein, den Restwerklohn ganz oder teilweise einzubehalten. Der Auftraggeber hat mithin ein Druckmittel, um die Übergabe der fehlenden Unterlagen zu erreichen.

    In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass die fehlenden Un-terlagen im Abnahmeprotokoll genannt werden und dass ein entsprechender Vorbehalt erklärt wird.

    OLG Köln, Urteil vom 07.08.2015 - 19 U 104/14

  3. Bedenken wegen Planungsfehler müssen direkt an den Auftraggeber gerichtet werden.
  4. Hat der Auftragnehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, hat er dem Auftraggeber diese unverzüglich schriftlich mitzuteilen (sog. Bedenkenanzeige). Diese Verpflichtung ergibt sich beim VOB/B-Vertrag aus § 4 Abs. 3 VOB/B und besteht beim BGB-Vertrag als vertragliche Nebenpflicht.

    Adressat der Bedenkenanzeige ist grundsätzlich der Auftraggeber. Der Architekt kommt nur ausnahmsweise als Empfänger in Betracht, wenn ihm vom Auftraggeber eine entsprechende Vollmacht erteilt wurde. Bedenkenanzeigen, die sich auf eine fehlerhafte Planung beziehen, sind aber immer an den Auftraggeber direkt zu richten. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung und wird vom OLG Schleswig noch einmal bestätigt.

    Gleiches gilt für Anordnungen bzw. Entscheidungen über eine bestimmte Ausführungsart. Auch diese Anordnungen darf grundsätzlich nur der Auftraggeber erteilen. Bestehen Unsicherheiten, ob der anordnende Architekt entsprechend bevollmächtigt ist, sollten die Auftragnehmer sich die Anordnungen vor der Ausführung schriftlich vom Auftraggeber bestätigen lassen.

    In der Praxis sollten Auftragnehmer ihre Bedenkenanzeigen deshalb immer an den Auftraggeber richten - und zwar auch dann, wenn diese sich nicht auf Planungsfehler beziehen. Besteht eine Vollmacht des Architekten zur Entgegennahme von Bedenkenanzeigen sollten diese in Kopie zur Kenntnis an den Auftraggeber übersandt werden. Damit sollte spätestens dann begonnen werden, wenn der Auftragnehmer das Gefühl hat, seine Bedenkenanzeigen werden von den Architekten nicht ernst genommen oder nicht an den Auftraggeber weitergegeben.

    Es ist wichtig, dass Auftragnehmer sich diesbezüglich absichern, weil sie sich nur bei einer ordnungsgemäßen Bedenkenanzeige auf den Haftungsausschluss des § 13 Abs. 3 VOB/B berufen können.

    OLG Schleswig, Urteil vom 11.04.2014 - 1 U 10/13

  5. Prüfungspflicht des Auftragnehmers - Abarbeiten des Leistungsverzeichnisses genügt nicht
  6. Das OLG Brandenburg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Auftragnehmer sich zur Verteidigung gegen Mangelansprüche des Auftraggebers darauf berufen hat, er habe sich bei der Ausführung der Abdichtungsarbeiten an die im Leistungsverzeichnis vorgegebene Ausführung gehalten, so dass sein Werk mangelfrei sei. Der Auftragnehmer hat mit dieser Argumentation keinen Erfolg. Das Gericht stellt in seinem Urteil fest, dass der Auftragnehmer aus diversen Umständen, insbesondere aus der ihm bekannten Planung den Schluss hätte ziehen müssen, dass nicht nur die im Leistungsverzeichnis ausgeschriebene Abdichtung gegen nichtdrückendes Wasser, sondern eine Abdichtung gegen aufsteigendes Sickerwasser erforderlich war. Auf diesen Widerspruch zwischen Planung und Leistungsverzeichnis hätte der Auftragnehmer hinweisen müssen.

    Der Auftragnehmer muss überprüfen, ob die in Auftrag gegebene Leistung geeignet ist, das Werk in der vorgesehenen und geschuldeten Weise zu erbringen. Der Umfang der Prüfungspflicht hängt von dem beim Auftragnehmer vorauszusetzenden und branchenüblichen Wissen sowie der Art und dem Umfang der Leistungsverpflichtung und dem Kenntnisstand des Auftraggebers und seines Architekten ab.

    Das OLG Brandenburg stellt klar, dass der Auftragnehmer seiner Prüfungspflicht grundsätzlich auch dann nachkommen muss, wenn ein Fachingenieur oder Architekt die Ausführung des Werkes geplant hat. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Auftragnehmer auf die größere Fachkunde des Planers vertraut hat und vertrauen durfte.

    Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass der Umfang der Prüfungspflicht des Auftragnehmers vom Einzelfall abhängt. Für den Auftragnehmer bedeutet das in der Praxis, dass er sowohl die im übergebene Planung als auch das Leistungsverzeichnis sorgfältig prüfen und den Auftraggeber aus Widersprüche und Bedenken hinweisen muss - mögen sie auch noch so unbedeutend erscheinen. Ist der Auftragnehmer nicht in der Lage zu prüfen, ob die Planungs- bzw. Vertragsziele mit den im Leistungsverzeichnis ausgeschriebenen Leistungen erreicht werden können, sollte er zwingend auch darauf hinweisen.

    OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015 - 4 U 26/12 (noch nicht rechtskräftig)

  7. Eine Mangelrüge per E-Mail erfüllt nicht das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B
  8. Das OLG Jena bestätigt die erstinstanzliche Entscheidung des LG Meinungen (Urteil vom 19.02.2015 - 1 O 548/14), nach der eine Mangelrüge per E-Mail nicht das Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B erfüllt und deshalb nicht zu der dort vorgesehenen Verlängerung der Gewährleistungsfrist führt.

    Mit dieser Begründung weist das Gericht den Kostenvorschussanspruch des Auftraggebers als verjährt zurück. Der Auftraggeber hatte den Auftragnehmer per einfacher E-Mail (ohne elektronische Signatur) zur Mangelbeseitigung aufgefordert und war davon ausgegangen, er habe so die zweijährige (Zusatz-) Gewährleistung nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B ausgelöst. Das sieht das Gericht anders.

    Nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B verjährt der Mangelbeseitigungsanspruch frühestens 2 Jahren ab den Zugang eines schriftlichen Mangelbeseitigungsverlangens. Dieses Schriftformerfordernis werde durch eine E-Mail nur dann erfüllt, wenn diese über eine elektronische Signatur verfüge (§ 126a BGB).

    Das OLG Jena stützt sich in seiner Entscheidung auf einen Beschluss des OLG Frankfurt (Beschluss vom 30.04.2012 - 4 U 269/11), der in der Literatur stark kritisiert wird. Die Kritik stützt sich auf das Argument, dass es sich bei der Schriftform gemäß VOB/B und damit gemäß einer Allgemeinen Geschäftsbedingung um eine vereinbarte Form im Sinne des § 127 BGB handele. Soweit nicht ein anderer Wille der Vertragsparteien anzunehmen sei, genüge deshalb auch eine einfache E-Mail dem Schriftformerfordernis des § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B. Das insbesondere deshalb, weil E-Mails in der Baupraxis üblich sind.

    Trotz dieser berechtigten Kritik an den Entscheidungen des OLG Jena und des OLG Frankfurt, muss den Auftraggebern geraten werden, Mangelanzeigen in der Praxis immer schriftlich - das heißt per Brief, Fax oder E-Mail mit elektronischer Signatur - zu versenden. Besteht Eilbedürftigkeit oder läuft die Korrespondent ausschließlich über E-Mails, sollte eine per E-Mail versandte Mangelanzeige anschließend noch per Post an den Auftragnehmer gesendet werden.

    OLG Jena, Urteil vom 26.11.2015 - 1 U 2009/15

     

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