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Aktuelle Flüchtlingsverteilung überfordert Wohnungsmärkte der deutschen Großstädte

12.04.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA).

Die aktuelle Verteilung der Flüchtlinge überfordert die stark nachgefragten Wohnungsmärkte in Deutschland.

Die aktuelle Verteilung der Flüchtlinge überfordert die stark nachgefragten Wohnungsmärkte in Deutschland. Das ist eines der Ergebnisse des neuen Gutachtens „Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland“ von empirica. Auftraggeber ist der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. mit Unterstützung der Vonovia SE, LEG Immobilien AG sowie NAI apollo group. Im mittleren Szenario rechnet empirica mit 1,51 Millionen zusätzlichen und dauerhaft hier bleibenden Einwohnern durch den Zustrom an Flüchtlingen bis zum Jahr 2020. In weiteren Szenarien des Gutachtens könnten bis zu 3,2 Millionen Menschen dauerhaft in Deutschland bleiben.

Königsteiner Schlüssel überfordert angespannte Wohnungsmärkte

Nach dem aktuellen Verteilungsschlüssel ergibt sich im mittleren Szenario ein Neubaubedarf von jährlich rund 75.000 Wohnungen zusätzlich zu dem bereits bestehenden Neubaubedarf von 286.000 Wohnungen pro Jahr laut empirica-Regionalprognose. Im höheren Szenario liege der Bedarf sogar bei fast 185.000 zusätzlichen Neubauwohnungen pro Jahr, insgesamt also 471.000 benötigten jährlich neu zu errichtenden Wohnungen im Zeitraum 2016 bis 2020. „Diese Zahlen verdeutlichen den akuten Handlungsbedarf in Deutschland. Die Politik ist aufgerufen, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsneubau insbesondere im Segment des bezahlbaren Wohnraums schnell zu verbessern“, erklärt Rolf Buch, Vorsitzender der ZIA-Plattform Wohnen.

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Kostentreiber wie etwa erhöhte energetische Auflagen, langfristige Genehmigungsverfahren oder auch das Wettrennen im Anheben von Grund- und Grunderwerbsteuer führen zu ernsthaften Problemen für die Immobilienwirtschaft. „Schon heute liegen die Fertigstellungszahlen in den angespannten Wohnungsmärkten unter dem tatsächlichen Bedarf an bezahlbaren Wohnungen, auch ohne Einberechnung der Flüchtlingszahlen. Angesichts der Zuwanderung steigt die Nachfrage nun noch weiter an und erhöht den Druck“, stellt Buch fest. Bei ungelenkter Verteilung führt die Zuwanderung laut empirica-Gutachten zu einem Anstieg des Neubaubedarfs etwa in Frankfurt um 135 Prozent. In Stuttgart müssen 105 Prozent mehr Wohnungen errichtet werden, in München 100 Prozent. In Köln (61 Prozent), Hamburg (60 Prozent) und Berlin (54 Prozent) sind die Anstiege des Neubaubedarfs durch Flüchtlinge ebenfalls signifikant. „In diesen Städten laufen die Fertigstellungszahlen bereits heute dem eigentlich benötigten Bedarf durch die demographische Entwicklung hinterher“, fügt Buch an.

Politik muss regulatorisches Umfeld für Projektentwicklung verbessern

„Wir benötigen ein besseres Umfeld für die Projektentwicklung. Langfristige Grundstücksvergaben oder Genehmigungsverfahren blockieren die Stadtentwicklung. Wir brauchen mehr qualifiziertes Personal und beschleunigte Verfahren, um den aktuellen Herausforderungen gegenübertreten zu können. Die geplante Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau, wie sie aktuell diskutiert wird, kann ebenfalls ein guter Impuls sein, doch sollte sie praxisgerecht aufgebaut sein. Die bislang vorgesehene Obergrenze von 3.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche ist ebenso eine gute Grundlage wie die Bemessungsgrundlage von 2.000 Euro pro Quadratmeter. Zudem sollte neben der Baugenehmigung auch die Baubeginnanzeige als zusätzlicher Zeitpunkt für die Sonder-AfA gelten“, erklärt Andreas Mattner, Präsident des ZIA.

Kapazitätsorientierter Verteilungsschlüssel und Wohnortauflage können Zeit für Neubau verschaffen

Der ZIA fordert daher die Einführung eines neuen Verteilungsschlüssels, der sich auch an der demographischen Entwicklung in Deutschland und dadurch entstandenen freien Kapazitäten auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt orientiert. In ihrem Gutachten hat Empirica dafür einen Vorschlag für einen kapazitätsorientierten Verteilungsschlüssel entwickelt. Ausgangspunkt ist zunächst der Bevölkerungsanteil eines Kreises an Deutschland insgesamt. Dieser Anteilswert wird in einem zweiten Schritt um einen Zuschlag (Abschlag) erhöht (vermindert) in Abhängigkeit von der Veränderung der Bevölkerungszahl zwischen 2011 und 2014. Der erhöhten Zuweisung von Asylbewerbern in schrumpfende Kreise muss im Gegenstrom eine finanzielle Zuweisung an diese Kommunen oder Kreise gegenüberstehen. Dies gilt insbesondere, da schrumpfende Kommunen in der Regel fiskalisch belasteter sind als wachsende Kommunen.

„Dieser neue Verteilungsschlüssel kann aber nur funktionieren, wenn er auf einer Wohnortauflage basiert, die Flüchtlinge für drei Jahre an eine Region bindet. Schrumpfende Regionen, in denen der Arbeitskräftemangel wächst, können dadurch gestärkt werden. Wachsende Regionen, die bereits heute über angespannte Wohnungsmärkte klagen, könnten dadurch vorerst entlastet werden“, sagt Prof. Dr. Harald Simons, Mitglied des Vorstands bei empirica. Dennoch könne auch diese Verteilungsart nur eine temporäre Lösung darstellen. „Es ist ungewiss, wie sich die Flüchtlingsströme innerhalb Deutschlands nach Ablauf der Wohnortauflage verhalten werden. Der Handlungsbedarf für die Errichtung von neuen Immobilien in den angespannten Immobilienmärkten wird dadurch also keinesfalls reduziert. Die Projekte, die wir heute planen, werden voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren bezugsfertig sein. Das muss die Politik unbedingt berücksichtigen“, fügt Simons hinzu.

Wirtschaftsimmobilienmarkt muss ebenfalls auf Flüchtlingszuwanderung reagieren können

Zudem weist der ZIA darauf hin, dass die bisherige Diskussion in Öffentlichkeit und Politik wichtige Aspekte nur unzureichend berücksichtigt. „Die Zuwanderung durch Flüchtlinge darf nicht dazu führen, dass neue Baugenehmigungen ausschließlich für Wohnungsprojekte erteilt werden. In einigen Regionen ist das heute aber schon der Fall. Unsere Städte müssen aber ganzheitlich wachsen. Wirtschaftsimmobilien wie etwa Bürogebäude oder auch Einzelhandelsflächen sind zwingend notwendig, um die wirtschaftliche Stärke unserer Städte nicht zu gefährden“, sagt Mattner. Wohnraum sei ebenso wichtig wie die Möglichkeit zu arbeiten und sich zu versorgen. „Wir müssen gemeinsam darauf achten, keine reinen Wohnghettos zu errichten, in denen die Lebensqualität stark eingeschränkt ist. Wir brauchen eine ausgewogene Stadtentwicklung auch in stark angespannten Zeiten.“



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