08.03.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Baufi24 GmbH.
Der Immobilienmarkt erlebt eine Zeitenwende. Nach einer Dekade im Autopilotmodus herrscht seit dem vierten Quartal 2022 ein regelrechter Käuferstreik, der sich als logische Konsequenz aus der geringen Kaufkraft entwickelt hat. Durch eine Vielzahl an negativen Einflussfaktoren wurden Käufer wie auch Verkäufer, Bauträger und Banken auf dem Höhepunkt des Booms kalt erwischt:
Die unerwartete Schieflage auf dem Immobilienmarkt kommt zur absoluten Unzeit, zumal Deutschland ohnehin seit Jahren unter Wohnungsmangel leidet. Die Folge: Die zwei Leuchtturmprojekte der Bundesregierung drohen verfehlt zu werden – nämlich 400.000 neue Wohnungen p.a. zu schaffen und klimaneutrales Wohnen ab 2035 zu ermöglichen.
Auch gesellschaftlich wird das Wohnungsproblem zur tickenden Zeitbombe bei der Altersvorsorge. Aktuell ist bereits jeder sechste Mensch über 65 Jahren von Armut bedroht – vor 15 Jahren fiel nur jeder zehnte Rentner unter die Armutsgrenze. Und das ist erst der Anfang: In den 2030er-Jahren dürfte bereits jeden fünften Senior ein Lebensstandard unter der Armutsgrenze betreffen, wie die Bertelsmann Stiftung errechnet hat. Das Rentenniveau sinkt unterdessen immer dramatischer ab – von aktuell 48 Prozent des mittleren Einkommens auf 42 Prozent im Jahr 2050. Maßgeblichen Anteil hat daran die besorgniserregend geringe Wohneigentumsquote der Bundesbürger von nicht einmal 50 Prozent. Weil nicht nur die Inflation, sondern im Zuge dessen auch maßgeblich die Mieten deutlich ansteigen, droht immer mehr Ruheständlern ein regelrechter Rentenschock. Die Konsequenz: Die Bundesbürger brauchen mehr Wohneigentum, ansonsten landen immer mehr Rentner in der Grundsicherung.
Die Notwendigkeit von privater Bauförderung erscheint umso dringender, da Deutschland beim Wohneigentum im EU-Vergleich das Schlusslicht bildet – im gesamteuropäischen Vergleich weist lediglich die Schweiz eine noch geringere Quote als die Bundesrepublik auf. Nach Angaben von Eurostat lebten Ende 2021 nicht einmal die Hälfte – 49,5 Prozent der deutschen Bevölkerung – in den eigenen vier Wänden, in Österreich waren es ebenfalls nur 54 Prozent. Der Abstand zu den europäischen Nachbarn ist enorm: So liegen die Niederlande, Finnland, Luxemburg und Belgien mit 70 bis 71 Prozent im Mittelfeld, während in Spanien 76 Prozent, in Norwegen 81 Prozent der Bürger und in Polen gar 87 Prozent der Bürger im eigenen Heim leben.
Die Diskrepanz zwischen Mietern und Eigentümern in Deutschland in Bezug auf ihr Nettovermögen ist zudem signifikant. Während Personen in Mieterhaushalten im Jahr 2020 nur über ein Nettovermögen von rund 35.500 Euro verfügten, belief sich dieses bei Personen in selbstgenutztem Wohneigentum laut Bundeszentrale für politische Bildung im Durchschnitt auf 222.000 Euro.
Die Gründe für die deutsche Misere sind zahlreich. Historisch betrachtet ist Deutschland ein (Ver-) Mieterland – und zwar die Nummer eins der EU. Die Mieten sind im Vergleich zu den meisten EU-Staaten bereits hoch – vor allem in den Großstädten. So machen die Wohnkosten in Deutschland im Durchschnitt 26 % der verfügbaren Einkommen aus, wodurch es für viele Menschen schwierig ist, sich ein Eigenheim leisten zu können. Das liegt auch an dem vergleichsweise hohen Preisniveau für Wohnimmobilien: So wies Deutschland nach Großbritannien 2022 den zweithöchsten Preis für Wohneigentum in Europa auf. Grund dafür ist nicht zuletzt der Immobilienboom der vergangenen Dekade, in der der Preis für Wohnimmobilien um rund 65 Prozent zugelegt hat.
Entsprechend hoch sind die Eintrittshürden auf dem deutschen Wohnungsmarkt, insbesondere in den großen Städten. Dazu gehören nicht zuletzt die hohen Anzahlungen und hohen Nebenkosten, die sich auch durch Grunderwerbsteuer, Notarkosten, Grundbucheintragungen und Maklergebühren schnell auf 12 bis 13 Prozent des Kaufpreises belaufen.
In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern zudem weitaus weniger steuerliche Anreize für den Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Hauses. Vermieter werden dagegen vom Staat regelrecht hofiert: Es besteht eine Bevorteilung von Immobilienkonzernen, die bauen, um zu vermieten.
Ein erhebliches Problem stellt dabei auch die steuerliche Behandlung dar. Jeder Kapitalanleger kann die Grunderwerbsteuer absetzen – Privatpersonen, die eine Immobilie zur eigenen Nutzung erwerben, hingegen nicht. Die Grunderwerbsteuer ist zudem komplex: Sie wird abhängig vom Bundesland prozentual festgelegt, ohne dass es eine absolute Obergrenze gibt. Das Gleiche gilt auch für die energetische Sanierung.
Auffällig: Die Erwerbsnebenkosten im europäischen Vergleich fallen deutlich niedriger aus. Entsprechend höher sind die Anreize für potenzielle Käufer, wie ein Blick auf die europäischen Nachbarn unterstreicht:
Deutschland kann bei Vergünstigungen und Förderungen für private Haushalte von den europäischen Nachbarn viel lernen. Mehr noch: Um Abhilfe zu schaffen, wird dringend eine durch Bund und Länder gestützte Wohn- und Finanzierungsinitiative benötigt. Folgende 10 Maßnahmen sollten dafür angestoßen werden:
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