Queere Communitys in Ostdeutschland in Gefahr

19.02.2025  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Lesben- und Schwulenverband (LSVD).

Gerade in Ostdeutschland erleben wir verstärkt Angriffe auf queere Sichtbarkeit und Strukturen. Rechtsextreme, antidemokratische und queerfeindliche Akteur*innen greifen immer häufiger Vereine, Veranstaltungen und einzelne Engagierte an, um sie zum Schweigen zu bringen und in die Unsichtbarkeit zu drängen. Auf der Straße und im Netz, aus Ämtern, Stadträten und Parlamenten heraus.

Dabei steht nicht nur die Beteiligung von queeren Menschen am gesellschaftlichen Leben, sondern ihre bloße Existenz viel zu häufig zur Debatte. Der LSVD bezieht Stellung:

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Als ostdeutsche Vertreter*innen der Landesverbände des LSVD⁺ - Verband Queere Vielfalt in Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen treten wir gemeinsam mit dem Bundesverband für eine Gesellschaft ein, die Vielfalt schätzt und Demokratie fördert. Diese Arbeit macht uns zu wichtigen Ankern für viele Menschen, aber auch zu Zielscheiben. Gemeinsam erklären wir anlässlich der Bundestagswahl am 23. Februar 2025:

Das Verbot der Regenbogenflagge in Neubrandenburg, die rechtsextremen Angriffe beim Christopher-Street-Day in Bautzen oder die wiederholten Sachbeschädigungen an queeren Orten in Magdeburg und Rostock sind Angriffe auf unsere demokratische Grundordnung. Auch in den sozialen Medien sind queere Menschen alltäglichen Einschüchterungen und Bedrohungen ausgesetzt. Diese Entwicklungen und die Landtagswahlen 2024 in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, bei denen queerfeindliche Parteien über 30 % der Stimmen erhielten, alarmieren uns. Vor diesem Hintergrund sind wir aufgefordert, unsere Stimmen zu erheben – gerade im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl.

Wir rufen deshalb alle Wahlberechtigten auf: Nutzt Eure Stimme bei der Bundestagswahl für eine Gesellschaft des zivilgesellschaftlichen Engagements und des friedlichen Miteinanders!

Ihr tragt mit eurer Stimme nicht nur Verantwortung für euch selbst, sondern auch für eure Familie, Freund*innen, eure Nachbarschaft und das Zusammenleben aller. Lasst nicht zu, dass Hetze und Ausgrenzung unseren Alltag bestimmen und unsere Demokratie untergraben. Wählt für ein Deutschland, in dem alle Menschen in Sicherheit und Würde leben können – unabhängig von ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, Weltanschauung, ihrer Behinderung oder ihrem Alter.

Die friedliche Revolution von 1989 stand für Freiheit und Gleichberechtigung aller. Unsere spezifischen Erfahrungen in und nach der DDR haben uns gelehrt, für unsere Rechte kämpfen zu müssen – mit nachhaltigen Erfolgen für ganz Deutschland. So war es die Wiedervereinigung, die maßgeblich zur Abschaffung des menschenrechtswidrigen Strafrechtsparagraphen 175 führte.

Wir müssen gemeinsam für eine Gesellschaft eintreten, in der Menschen überall sicher leben können - unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land, in Ost- oder Westdeutschland leben.

Unser Engagement für Demokratie und Menschenrechte bleibt ungebrochen.

Jetzt ist für unsere Communitys in Ostdeutschland vor allem entscheidend, dass die nächste Bundesregierung unsere zwei Kernforderungen in ihre politische Arbeit aufnimmt:

Schützt LSBTIQ* endlich explizit im Grundgesetz!

Aus den Schrecken der NS-Zeit haben die Eltern des Grundgesetzes eine Lehre gezogen. Auch wenn Artikel 1 GG jede Form von Diskriminierung ausschließen sollte, erfolgte ein spezifiziertes Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Abs. 3 GG. Dennoch waren schwule und bisexuelle Männer im Nachkriegsdeutschland weiter der Verfolgung durch § 175 StGB ausgesetzt, lesbischen Frauen wurde das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. LSBTIQ* wurden als große Opfergruppe der NS-Zeit bewusst nicht in den Schutzbereich von Artikel 3 Abs. 3 GG aufgenommen – ein folgenschwerer Fehler, der Unrecht über Jahrzehnte fortschrieb. Es muss unstreitig sein, dass LSBTIQ* unter dem vollen Schutz des Grundgesetzes stehen. Ohne explizite Verankerung sind sie weiterhin gefährdet durch Diskriminierung und Entrechtung. Gerade in Zeiten eines erstarkenden Rechtsextremismus ist ein klares Bekenntnis zum Schutz queerer Menschen im Grundgesetz notwendig.

Stärkt und schützt die Zivilgesellschaft mit einem Demokratiefördergesetz!

Die Akzeptanz von Pluralität und die Prävention extremistischer Ideologien sind entscheidend für den Schutz unserer Demokratie. Die liberale Demokratie steht weltweit unter Druck – auch in Deutschland. Rassistische, antisemitische und LSBTIQ*-feindliche Hetze verstärkt sich in den Echo-Kammern sozialer Medien und bedroht vor allem marginalisierte Gruppen. Mit befristeten Projekten und Förderungen allein kann dieser Entwicklung nicht begegnet werden. Ein Demokratiefördergesetz kann strukturelle Absicherung bieten und der Zivilgesellschaft den Rücken stärken. Besonders in Ostdeutschland, wo kommunale Mittel oft fehlen oder nicht bereitgestellt werden, braucht es eine verlässliche Finanzierung. Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Demokratieförderung nicht von politischen Mehrheiten in Ländern oder Kommunen abhängig ist, sondern dauerhaft gesichert bleibt.

16 queerpolitische Forderungen zur Bundestagswahl finden sich hier.

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Bild: Cecilie Johnsen (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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