26.10.2021 — Moira Frank. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Resilienz, also die Fähigkeit, sich selbst widrigen Umständen anzupassen und so weniger anfällig für Belastungen zu werden, besitzt jeder Mensch. Man kann sie, wie andere Eigenschaften, bis zu einem gewissen Maße gezielt trainieren. Aus Rückschlägen Kraft schöpfen zu können, statt sie nur zu verkraften, klingt natürlich verlockend – auch für Unternehmen, die in der Corona-Pandemie genau wie Einzelpersonen vor ganz neue Herausforderungen gestellt wurden. Und hier haben sich auch ganz deutlich die Grenzen der Resilienz gezeigt: Nicht alle Krisen lassen sich nur mit der richtigen Einstellung bewältigen. Besonders in der Unterhaltungs- und Restaurantbranche mussten viele Betriebe in der Krise länger schließen, dafür nicht wenige für immer.
Andere Unternehmen hatten das Glück, ihre Produkte und Dienstleistungen auch digital weiter anbieten zu können – jedenfalls, wenn sie schnell und flexibel, also resilient auf die neuen Regeln reagiert haben. Doch selbst da, wo das Potential für digitale Angebote gegeben ist, ist dieser Schritt nicht selbstverständlich und muss oft gegen innere und äußere Widerstände durchgesetzt werden. Expert*innen beklagen es seit vielen Jahren: Deutschland ist Digitalisierungsmuffel. Unsere digitale Entwicklung schleicht eher voran, als dass sie schreitet. Logisch, dass sich dort wenig von allein bewegt, wo man noch ein Fax schicken muss statt eine E-Mail.
Die Corona-Pandemie hat diese Bewegung nun regelrecht erzwungen. Dabei sind neben mehr, oft innovativen, digitalen Angeboten für Kund*innen auch neue interne Prozesse entstanden: Daten wurden auf neuen Wegen erhoben, Meetings online abgehalten. Das Homeoffice hat sich bewährt und macht Mitarbeiter*innen nach eigenen Aussagen zufriedener und produktiver, stellt unter anderem die Hans-Böckler-Stiftung in ihren Studien fest. Trotzdem wollen viele Unternehmen nach der Pandemie schnell zum traditionellen Präsenz-Arbeitsplatz mit Live-Meeting zurück. Das ist weder ein gutes Vorzeichen für eine moderne Arbeitskultur, noch beweist es Resilienz. Ganz im Gegenteil: Resilienz bedeutet, aus einer Krise für die nächste zu lernen statt anzunehmen, dass nun alles wieder beim bewährten Alten wäre. Wer in Zukunft noch schneller, flexibler und besser auf neue Umstände reagieren will, der kommt an der Digitalisierung und damit einhergehend einer auch digitalen Arbeitswelt mit (Teilzeit-)Homeoffice und Online-Meetings nicht vorbei.
Wer als Unternehmen die digitale Umstellung geschafft oder zumindest so weit vorangetrieben hat, um weiterbestehen zu können, besitzt damit also Resilienz. Aber ist die auch automatisch digital?
Der Begriff der Digitalen Resilienz ist im Vergleich zu anderen Begriffen der Digitalisierung noch recht jung. Über die Definition besteht Uneinigkeit. Während gerade im Bereich der Wirtschaft mit Digitaler Resilienz vor allem die Vorbereitung von Unternehmen auf zukünftige Krisen gemeint ist, sehen Kommunikationsforscher*innen eher die gesellschaftliche Komponente: die „Dauervernetzung“ des modernen Menschen, insbesondere der jüngeren Generation.
Schon 2017 stellten vier Forscher*innen ihr Papier „Digitale Resilienz und soziale Verantwortung“ vor, in dem sie sich Überlegungen zu einer Konzeptentwicklung für die aus der Resilienz weiterentwickelte Theorie der Digitalen Resilienz machen. Sie wollen vor allem weg von der klassischen Vorstellung der Resilienz als Selbstoptimierungstool. Resilienz sollte, so die Autor*innen, weniger individuell und stärker gesellschaftlich gedacht werden, um Radikalisierung und Isolierung einzelner vorzubeugen. Soziale Verantwortung und Teilhabe an der demokratischen, vielseitigen Gesellschaft sind besonders in der Krise wichtiger denn je geworden. Dass Verschwörungstheorien sich nicht nur lauffeuerartig verbreiten können, sondern auch bereitwillig geglaubt werden, liegt vor allem an digitalen Echokammern. Selbst wenn also eine Einzelperson resilient und kritisch auf den neuen Ton reagiert, den etwa die „querdenkende“ eigene Familie anschlägt, bleibt das Problem ein größeres und gesellschaftliches – und ein digitales.
Deshalb gehört für die Forscher*innen zu digitaler Kompetenz, wie sie immer mehr auch an Schulen gelehrt wird, mehr als nur das Einschalten des Laptops. Ein selbstbestimmter, kritischer Umgang mit digitalen Geräten und Medien müsse ein selbstverständlicher Teil der Digitalkompetenz sein, ebenso das Wissen über ökonomische und technische Zusammenhänge und digitale Infrastrukturen. Nur so könne eine digitale Gesellschaft resilient und damit widerstandsfähig bleiben.
Auch, wenn Unternehmen sich eher mit dem klassischen Verständnis von Resilienz beschäftigen, so bleibt das Konzept Digitaler Resilienz doch auch für sie lehrreich. Das Hinterfragen und Einbringen von Ideen und Strategien sollte in jedem Unternehmen möglich sein, denn es fördert nicht nur das Betriebsklima, sondern auch die Innovation. Auch die gesellschaftliche Teilhabe lässt sich auf das Unternehmen übertragen: Wenn Prozesse „plötzlich“ digitalisiert werden, brauchen gerade weniger erfahrene Mitarbeiter*innen dabei besondere Unterstützung, um ins Boot geholt zu werden, in dem andere vielleicht schon ganz selbstverständlich sitzen.
Um die Digitalisierung führt kein Weg herum – und mit einer guten Mischung aus nach innen gewandter Resilienz und sozialer Digitaler Resilienz stehen wir dabei nicht nur vor einer Herausforderung, sondern vor vielen tollen Chancen für eine bessere Arbeit und eine bessere Gesellschaft.
Quellen und Hintergründe:
Bild: Andrea Piacquadio (Pexels, Pexels Lizenz)