03.12.2013 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach Maßgabe des BFH-Urteil vom 16.05.13, VI R 94/10 sind bei der Prüfung der sog. 110 Euro-Freigrenze nur solche Kosten in die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen, die zu einer objektiven Bereicherung bei den Arbeitnehmern führen. Kosten für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung, insbesondere Kosten für die Anmietung von Räumlichkeiten und Aufwendungen für die organisatorischen Tätigkeiten eines Eventveranstalters hingegen sind nicht in diese Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen.
In einem weiteren streitigen Sachverhalt war der Arbeitgeber im Rahmen der Planung einer Betriebsveranstaltung zunächst von einer Teilnehmerzahl von 600 Personen ausgegangen. Tatsächlich haben jedoch nur 348 Personen an der Veranstaltung teilgenommen. Ein Teil der Kosten, nämlich die Kosten für den äußeren Rahmen, seien nach Auffassung des Arbeitgebers als Fixkosten anzusehen und führen bei den teilnehmenden Arbeitnehmern tatsächlich nicht zu einer Bereicherung, wie z.B. die Kosten für zusätzliches Servicepersonal und zusätzliche Toiletten. Weil die deutlich geringere Teilnehmeranzahl Auswirkungen auf die Durchschnittskosten hatte, war die 110 Euro-Freigrenze entsprechend überschritten. Daher wollte das Finanzamt in Anlehnung an die einschlägigen rechtlichen Bestimmungen in den Lohnsteuerrichtlinien die gesamten Aufwendungen des Arbeitgebers entsprechend der Lohnversteuerung unterwerfen.
Das Finanzgericht Düsseldorf stellte in der Vorinstanz mit Urteil vom 17.01.11, 11 K 908/10 L klar, dass grundsätzlich die gesamten Aufwendungen des Arbeitgebers für die Betriebsveranstaltung einschließlich der Aufwendungen für den äußeren Rahmen (Saalmiete, Live-Musik, Servicepersonal, Toilettengestellung, Kinderanimation, etc.) zu gleichen Anteilen auf die Anzahl der teilnehmenden Personen aufzuteilen sind. Die anteiligen Aufwendungen für Familienangehörige oder persönliche Gäste sind nach Auffassung des Finanzgerichts dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen. Das Finanzgericht erkannte jedoch, dass eine derartige Berechnung im Einzelfall zu unzutreffenden Ergebnissen führen könne, z.B. wenn Arbeitnehmer, deren Teilnahme an der Betriebsveranstaltung ursprünglich vorgesehen war, an der tatsächlich nicht teilnehmen. In diesem Fall dürfen Aufwendungen des Arbeitgebers, die weder den nicht teilnehmenden noch den teilnehmenden Arbeitnehmern als Arbeits-lohn zugerechnet werden können, nicht in die Durchschnittsberechnung einbezogen werden. Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung im Schrifttum, wonach im Rahmen der Durchschnittsberechnung nicht auf die tatsächliche, sondern auf die geplante Teilnehmerzahl abzuzielen ist, weil der Arbeitnehmer durch die vergeblichen Aufwendungen des Arbeitgebers weder bereichert ist noch der Arbeitnehmer Einfluss auf die Höhe der Kosten für den äußeren Rahmen sowie die Teilnehmerzahl habe. Das Finanzgericht stellte klar, dass sämtliche Kosten, die nicht auf die teilnehmenden Arbeitnehmer entfallen, nicht in die Durchschnittsberechnung einbezogen werden dürfen. Die tatsächlichen Teilnehmer werden nicht durch die Aufwendungen für überzählige Speisen und Getränke sowie die überdimensionierten Sachleistungen bereichert.
Bei einer Aufteilung der Gesamtkosten auf die begünstigten Personen ergab sich eine lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage in Höhe von 53,53 Euro pro Person. Das bedeutet, dass sich für Arbeitnehmer, die allein bzw. mit nur einer Begleitperson an der Betriebsveranstaltung teilgenommen haben, kein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil ergibt, weil die 110 Euro-Freigrenze nicht überschritten wird. Ein lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil ergibt sich lediglich für diejenigen Arbeitnehmer, die von mehr als einer Person begleitet wurden. Hier beläuft sich die Bemessungsgrundlage dann auf mindestens 160,59 Euro. Damit war die 110 Euro-Freigrenze deutlich überschritten, so dass das ganz überwiegend eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers vom Entlohnungscharakter überlagert wird.
Im Revisionsverfahren hat sich der Bundesfinanzhof erneut mit diesem Sachverhalt auseinandersetzen müssen und kam mit Urteil vom 16.05.13, VI R 7/11 zu dem Ergebnis, dass der auf die Familienangehörigen entfallende Aufwand den Arbeitnehmern bei der Berechnung, ob die 110 Euro-Freigrenze überschritten ist, grundsätzlich nicht zuzurechnen ist. Der Bundesfinanzhof hielt daran fest, dass die Übernahme der Kosten durch den Arbeitgeber für Begleitpersonen des Arbeitnehmers im Rahmen von Betriebsveranstaltungen regelmäßig keine Entlohnung darstellt.
Im hier vorliegenden Fall beschränken sich die Vorteile des Arbeitnehmers auf eine Beköstigung in angemessenem Umfang, eine musikalische Unterhaltung und ein Animationsprogramm für Kinder. Die Einladung auch der Familienangehörigen stellt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs aus der Sicht des Arbeitnehmers keine Entlohnung für geleistete Dienste dar. Im Vordergrund steht vielmehr das Interesse des Arbeitgebers an der Förderung des Betriebsklimas. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist die Teilnahme der Familienangehörigen an derartigen Feiern in besonderem Maße geeignet, das Betriebsklima und die Arbeitsfreude der Arbeitnehmer zu fördern. Darüber hinaus stärken derartige Feierlichkeiten die Verbundenheit zwischen Arbeitnehmer, Arbeitgeber und den Kollegen; sie können überdies das Verständnis der Familienangehörigen für betriebliche Arbeitsabläufe, etwa Arbeitseinsätze des Arbeitnehmers zu außergewöhnlichen Zeiten, fördern und erhöhen auch die Bereitschaft der Arbeitnehmer, an der Betriebsveranstaltung überhaupt teilzunehmen.
Dagegen tritt der Vorteil, der dem Arbeitnehmer durch die Einladung auch seiner Familie zugewandt wird, deutlich zurück. Eine Bewirtung, eine musikalische Umrahmung und ggf. ein Unterhaltungsprogramm für die Kinder sind bei derartigen Betriebsfeiern auf gesellschaftlicher Grundlage üblich und werden daher weder vom Arbeitgeber noch von den Arbeitnehmern als besondere Entlohnung für geleistete Dienste beurteilt. Eine andere Beurteilung kann bei Betriebsfeiern angezeigt sein, die ihrer Art nach den Schluss zulassen, dass über die Familienangehörigen dem Arbeitnehmer ein Vorteil zugewendet werden soll. Dies kommt insbesondere bei Veranstaltungen in Betracht, die bereits sich selbst einen marktgängigen Wert besitzen und die vom Arbeitgeber nicht selbst durchgeführt werden könnten. Das ist z.B. der Fall, wenn die Belegschaft zusammen mit Familienangehörigen gemeinschaftlich ein Musical besucht oder Konzerte weltberühmter Künstler anlässlich von Betriebsfeiern gegeben werden.
Im Ergebnis sind die Kosten für Begleitpersonen des Arbeitnehmers bei Betriebsveranstaltungen nicht in die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Diese neue höchstrichterliche Rechtsprechung ist auf alle noch offenen, nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden.
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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