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GBP-Monitor: Trotz des Lieferkettengesetzes dominieren finanzielle Faktoren bei der Auswahl von Geschäftsbeziehungen

07.08.2024  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Universität Mannheim.

Bewährte Kriterien wie der Preis, die Verlässlichkeit der Zahlungsziele oder die Länge der Geschäftsbeziehung spielen bei Unternehmen nach wie vor die wichtigste Rolle bei der Auswahl ihrer Kund*innen und Lieferant*innen. Nachhaltigkeitsaspekte sind – ungeachtet des neuen Lieferkettengesetzes – klar untergeordnet.

Das belegt eine aktuelle Umfrage des German Business Panel (GBP). Die GBP-Daten belegen die insgesamt ablehnende Haltung vieler Unternehmen gegenüber der aktuellen Nachhaltigkeitsregulierung, darunter auch der neuen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Es gibt allerdings Ausnahmen: Unternehmen, die freiwillig über Nachhaltigkeit berichten und aus strategischen Gründen ihr Geschäftsmodell danach ausrichten, begrüßen die Regulierung.

Im Mai 2024 hat die Europäische Union nach heftiger Kontroverse eine neue Lieferkettenrichtlinie verabschiedet, die große Unternehmen dazu verpflichtet, sich stärker für Umweltschutz und Sozialstandards (Environmental, Social, Governance, ESG) einzusetzen. Mit Dokumentationspflichten soll dabei auf alle an Lieferketten beteiligten Unternehmen Druck ausgeübt werden, zur Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen beizutragen. Bis 2029 soll diese Richtlinie schrittweise umgesetzt werden.

In Deutschland gilt schon seit dem Vorjahr das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit ähnlicher Zielsetzung. Die aktuellen Daten des GBP zeigen nun, dass die damit verbundenen Erwartungen sich nur eingeschränkt erfüllen: Wenn Unternehmen ihre Kund*innen oder Lieferant*innen auswählen, passiert das in den meisten Fällen weiterhin auf Grundlage von harten finanziellen Kennzahlen wie Preis, Produkteigenschaften, Lieferungs- und Zahlungsmodalitäten. Diesen Kriterien wird laut der GBP-Umfrage die höchste Relevanz beigemessen. Nicht-finanzielle Kennzahlen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit rangieren dagegen ganz unten auf der Liste. Die Ergebnisse gelten sowohl für große Unternehmen, die ihre ESG-Performance offenlegen müssen, als auch für kleinere Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten, die dazu nicht verpflichtet sind.

Allein Unternehmen, die für ihr eigenes Geschäftsmodell einen Fokus auf ESG-Faktoren in Anspruch nehmen und daher strategisch verankerte Nachhaltigkeitsziele haben, sind dazu bereit, ihre Bemühungen in Bezug auf Umwelt und Soziales zu erhöhen und ihre Lieferketten entsprechend anzupassen. Darunter fallen insbesondere Unternehmen, die auch in reale Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen investieren, zum Beispiel durch eine Verringerung ihrer eigenen Emissionen.

„Die vielen bürokratischen Pflichten, die für Lieferketten eingeführt wurden, ändern offensichtlich wenig daran, dass Unternehmen bei der Auswahl ihrer Geschäftsbeziehungen kaum bereit sind, ihre gewohnten Geschäftsabläufe aus Rücksicht auf gesellschaft­liche Ziele umzustellen. In zu vielen Fällen ist die Umsetzung des Gesetzes eine reine Compliance-Übung ohne realen Einfluss auf Nachhaltigkeitsziele“, sagt Prof. Dr. Jannis Bischof, Inhaber des Lehr­stuhls für ABWL und Unter­nehmens­rechnung an der Universität Mannheim und wissenschaft­licher Projektleiter des GBP.

Mit der negativen Bewertung der Regulierung von Lieferketten geht einher, dass die meisten Unternehmen die neuen verpflichtend eingeführten Standards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung „eher negativ“ oder „sehr negativ“ bewerten: Bei Unternehmen ohne ESG-Fokus liegt dieser Anteil bei 56 % und selbst bei Un­ter­nehmen mit ESG-Fokus stimmen 39,2 % dieser Aussage zu. Sie bemängeln auch hier, dass die Vorgaben zu bürokratisch und zu komplex seien.

Bemerkenswerterweise schneiden die neuen Vorgaben bei den sie praktizierenden Unternehmen besonders schlecht ab: 59,3 % der Anwender mit ESG-Fokus berichten, dass der Berichtsaufwand zu hoch sei, wohingegen bei den Nicht-Anwendern dieser Anteil bei 52 % liegt. 66,7 % der Anwender mit ESG-Fokus halten die Vorgaben für zu komplex und zu bürokratisch gegenüber 59 % der Nicht-Anwender. „Gerade diejenigen, die sich mit den Standards aktiv auseinandersetzt haben, scheinen also besonders kritisch zu sein“, resümiert Bischof.

Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im Juli 2024“ finden Sie hier: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2024/07/gbp_monitor_2024_07.pdf

Weitere Informationen zum GBP-Monitor

Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen und seit März 2024 mehr als 250 Wissenschaftler*innen zur Unternehmenslage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungsrate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird alle drei Monate zu besonders aktuellen Fragen berichtet.

Hintergrundinformationen zum German Business Panel

Das German Business Panel ist ein langfristiges Befragungspanel des DFG-geförderten überregionalen Projektes „Accounting for Transparency“ (www.accounting-for-transparency.de). Der Sonderforschungsbereich (SFB) „TRR 266 Accounting for Transparency“ startete im Juli 2019. Im Mai 2023 beschloss die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den SFB um zunächst weitere vier Jahre zu verlängern. Er ist der erste SFB mit betriebswirtschaftlichem Schwerpunkt. Am SFB sind über 100 Wissenschaftler*innen von neun Universitäten beteiligt: Universität Paderborn (Sprecherhochschule), Humboldt-Universität zu Berlin und Universität Mannheim, zudem Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der Frankfurt School of Finance & Management, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover. Die Forschenden untersuchen, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Das Fördervolumen des SFBs beträgt rund 18 Millionen Euro.

Bild: Pixabay (Pexels, Pexels Lizenz)

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