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Anscheinsbeweis bei der Dienstwagenbesteuerung: Neue BFH-Rechtsprechung (Teil I)

17.09.2013  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Dienstliche Nutzung? Privatfahrten? Unser Steuerrechtsexperte Volker Hartmann hat die letzten BFH-Urteile zur Dienstwagenbesteuerung hier kompakt zusammengestellt und kommentiert.

Weil die steuerliche Belastung aufgrund ständig steigender Anschaffungskosten und Betriebskosten für Firmenwagennutzer immer größer wird, wird von vielen Arbeitnehmern, insbesondere von leitenden Angestellten und Geschäftsführern, zunehmend die Gestaltungsmöglichkeit des Nutzungsverbotes für Privatfahrten genutzt. In diesem Fall darf der Firmenwagen lediglich für berufliche Fahrten, jedoch nicht für private Fahrten genutzt werden.

Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen überlässt, entsteht regelmäßig ein geldwerter Vorteil, der entweder pauschal im Rahmen der 1 % - Regelung oder auf Grundlage der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse anhand eines Fahrtenbuches ermittelt werden kann. Wenn kein Fahrtenbuch geführt bzw. dieses nicht ordnungsgemäß geführt wird, kommt nach den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen zwingend die 1 % - Regelung zum Ansatz. Hierbei spielt es keine Rolle, ob und in welchem Umfang der Firmenwagen tatsächlich privat genutzt wird.

Anscheinsbeweis

Das Finanzamt hat in der Vergangenheit zur Lösung dieses Problems gerne auf den sog. Anscheinsbeweis zurückgegriffen. Wenn bei der Überlassung eines Firmenwagens kein geldwerter Vorteil versteuert und bei einer Lohnsteueraußenprüfung dargelegt wurde, der Firmenwagen sei tatsächlich nicht privat genutzt worden, hat das Finanzamt bislang stets unterstellt, dass der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Firmenwagen nach dem Beweis des ersten Anscheins auch privat genutzt worden ist. In diesem Zusammenhang wurde der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung pauschal im Rahmen der 1 % - Regelung angesetzt und die darauf entfallenden Steuerabzugsbeträge vom Arbeitgeber nachgefordert.

BFH-Urteile vom 21.04.10 und 06.10.11

Bereits mit Urteilen vom 21.04.10, VI R 46/08 und vom 06.10.11, VI R 56/10 hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass der Beweis des ersten Anscheins immer nur dann greift, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt. Der Beweis des ersten Anscheins greift ausdrücklich nicht, wenn dem Arbeitnehmer der Dienstwagen nur für berufliche Zwecke, nicht jedoch für private Fahrten zur Verfügung gestellt wird. In diesem Fall darf das Finanzamt keinen geldwerten Vorteil im Rahmen der 1 % - Regelung ansetzen. Dies gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch dann, wenn kein Fahrtenbuch geführt wurde.

Dummenrechtsprechung?

Mit Urteil vom 08.12.12 3 K 406/10, stellte das Niedersächsische Finanzgericht in Frage, ob diese Rechtsprechung auch für leitende Angestellte und Geschäftsführer gilt, die an der Spitze eines Unternehmens stehen und insoweit keinen Sanktionsmöglichkeiten ihres Arbeitgebers unterliegen. Während die widerrechtliche private Nutzung eines Firmenwagens bei einem normalen Arbeitnehmer regelmäßig einen arbeitsrechtlichen Verstoß mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten darstellt, gilt dies bei leitenden Angestellten und Geschäftsführern nicht oder nur in sehr eingeschränktem Umfang. Daher ist es diesem Personenkreis grundsätzlich möglich, quasi unkontrolliert und ohne Sanktionen durch Vorgesetzte nicht erlaubte Privatfahrten durchführen zu können.

„Dummenrechtsprechung“

Die „Selbstkontrolle“ durch den einen Dienstwagen nutzenden Geschäftsführer oder den Gesellschafter-Ehegatten bezeichnete das Finanzgericht wortwörtlich als „Farce“. Dennoch stellte das Gericht fest, dass es an einer bewussten Überlassung des Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Geschäftsführer fehlt und musste sich daher zwangsläufig der BFH-Rechtsprechung anschließen.

Zitat: „Dass sich dies in der Rechtspraxis als „Dummenrechtsprechung“ auswirkt, nach der derjenige, der wahrheitswidrig die Nutzung des Dienstwagens zu privaten Zwecken bestreitet, ohne jegliches Risiko einer strafrechtlichen Ahndung von der Versteuerung des Nutzungsvorteils verschont bleibt, wohingegen jener, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt und die Privatnutzung einräumt, der „Dumme“ ist, der einen Nutzungsvorteil zu versteuern hat, muss demgegenüber hingenommen werden.“

Beispiel:

Ein Arbeitgeber stellt seinem Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) einen Firmenwagen der gehobenen Mittelklasse zur Verfügung. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung ist die Privatnutzung grundsätzlich verboten.

Weil dem Arbeitnehmer kein Fahrzeug zur privaten Nutzung überlassen wird, braucht der Arbeitgeber nach den o.g. Grundsätzen entsprechend keinen geldwerten Vorteil zu versteuern. Ein Fahrtenbuch braucht nicht geführt zu werden.

Etwas anderes gilt, wenn sich ergibt, dass das Nutzungsverbot nicht ernst gemeint und nur zum Schein ausgesprochen worden ist.

Wenn jedoch festgestellt wird, dass der Arbeitnehmer das Fahrzeug trotz eindeutiger vertraglicher Vereinbarung widerrechtlich privat genutzt hat, handelt es sich nicht um einen lohnsteuerlich zu erfassenden geldwerten Vorteil - in analoger Betrachtungsweise zu einem Diebstahl, bei dem ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber z.B. ein Notebook stiehlt. Auch in diesem Fall ist der Wert des Notebooks nicht als lohnsteuerpflichtiger geldwerter Vorteil zu erfassen, da der Arbeitgeber nicht mit der Absicht gehandelt hat, den Arbeitnehmer zu entlohnen bzw. ihm etwas zukommen zu lassen.

Lesen Sie Teil 2 des Artikels nächste Woche an derselben Stelle.



Der Autor:

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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