04.02.2020 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
1. Die Zwischenschaltung einer nahestehenden Person im Rahmen von Grundstücksaktivitäten des Steuerpflichtigen kann im Falle der beabsichtigten Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels nach der Rechtsprechung des BFH einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO begründen.
2. Die von dem erwerbenden Ehegatten selbst durch die Erschließung ins Werk gesetzte Wertsteigerung der Grundstücke steht einer abweichenden steuerrechtlichen Zurechnung der Einkunftsquelle grundsätzlich entgegen.
Die Kläger sind Eheleute, die für die Streitjahre 2006 bis 2010 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Sie betreiben in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in B einen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Kläger überließ der GbR mehrere Grundstücke zur Nutzung. Bereits im Jahr 1996 hatte die Gemeinde B für Teile dieser Grundstücke einen Bebauungsplan aufgestellt. Kurze Zeit später schloss der Kläger mit der Gemeinde B einen städtebaulichen Vertrag, der eine Grundstückserschließung auf seine Kosten vorsah. Die Erschließung blieb zunächst aus, so dass die GbR die Grundstücke weiterhin landwirtschaftlich nutzte. Mitte des Jahres 2006 wurden die Kläger nach eigenen Angaben bei der Gemeinde B vorstellig, um den Beginn der Erschließung voranzutreiben. Zum Zwecke der Vermeidung eines gewerblichen Grundstückshandels in eigener Person beabsichtigte der Kläger zunächst, die beiden betroffenen Grundstücke an eine von ihm beherrschte (eigens hierfür gegründete) Personengesellschaft zu veräußern, die dann die Aufgabe übernehmen sollte, die Grundstücke zu erschließen, zu parzellieren und zu verkaufen. Er vertrat die Ansicht, durch die Veräußerung an die Personengesellschaft könne der hieraus im Sonderbetriebsvermögen der GbR entstehende Gewinn durch eine Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG kompensiert werden. Seinen hierauf gerichteten Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft beschied das FA am 29.09.2006 negativ. Ein gewerblicher Grundstückshandel einer Personengesellschaft schlage (so das FA) steuerlich auf die Ebene des Gesellschafters durch. Der Grundbesitz sei Umlaufvermögen, so dass eine Reinvestitionsrücklage nicht gebildet werden könne.
In Anbetracht dessen änderte der Kläger sein Vorhaben und verkaufte mit notariellem Vertrag vom 06.10.2006 die Grundstücke an die Klägerin, die nunmehr die Grundstücke baureif machen und parzelliert weiterverkaufen sollte. Der Kaufpreis von … EUR wurde zwar sofort fällig gestellt, allerdings dergestalt gestundet, dass er erst ab dem Verkauf des sechsten Bauplatzes in Höhe des jeweils erzielten Erlöses bis Ende des Jahres 2011 ratierlich zu erbringen war. Verzinsungsabreden bestanden nicht, ebenso wenig sollte eine bei Zahlungsverzug bestehende Verzinsungsmöglichkeit vereinbart werden. Sicherheiten hatte die Klägerin nicht zu stellen. Ende Oktober 2006 schloss die Klägerin mit der Gemeinde B einen Erschließungsvertrag ab. Die Erschließung wurde durch ein Ingenieur- und Architektenbüro koordiniert. Zur Finanzierung der von der Klägerin zu tragenden Erschließungskosten nahm sie im November 2006 zwei Darlehen über … EUR auf, deren Rückzahlung durch eine Grundschuld auf im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücken gesichert wurde. Nach Abschluss der Erschließungsarbeiten veräußerte die Klägerin bis ins Jahr 2012 hinein sukzessive die parzellierten Baugrundstücke. Die Kaufpreiszahlungen an den Kläger nahm die Klägerin (nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen) ab August 2007 auf.
Für die Jahre 2006 und 2007 erließ das FA zunächst erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide. Nach einer für die Jahre 2006 und 2007 durchgeführten Außenprüfung erkannte das FA den Grundstückskaufvertrag steuerrechtlich nicht an, da die Vereinbarungen einem Fremdvergleich nicht standhielten. Die Einkünfte aus der Baulandvermarktung seien dem Kläger zuzurechnen. Die Klägerin sei nach dem Gesamtplan beider Ehegatten nur zum Zwecke der Inanspruchnahme des Wahlrechts auf Bildung einer Reinvestitionsrücklage "zwischengeschaltet" worden. Hierdurch seien rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO missbraucht worden. Demzufolge erließ das FA geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 sowie erstmalige Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010, in denen es dem Kläger Einkünfte aus der Baulandvermarktung zurechnete. Ferner setzte das FA gegenüber dem Kläger dementsprechende Gewerbesteuermessbeträge u.a. für die Jahre 2008 bis 2010 fest.
Nach jeweils erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die gegen die Einkommensteuer (6 K 11029/14, EFG 2018, 221) und Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen (6 K 11031/14) getrennt geführten Klagen ab. Auch das FG hielt die Gestaltung für rechtsmissbräuchlich i. S. von § 42 AO. Für das von den Klägern erstrebte wirtschaftliche Ziel einer gewinnträchtigen Baulandvermarktung, auf die der Kläger nicht habe verzichten wollen, sei ein ungewöhnlicher Weg gewählt worden, der allein der Steuerminderung habe dienen sollen. Die Klägerin sei hierfür als nahe Angehörige "zwischengeschaltet" worden.
Die Revisionen sind begründet. Die angefochtenen Urteile werden aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (BFH Urteil vom 10.7.2019, X R 21-22/17; X R 21/17; X R 22/17).
Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um dessen Würdigung zu stützen, die von den Klägern gewählte Gestaltung sei als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO anzusehen. Die persönliche Zurechnung von Einkünften richtet sich danach, welche Person sie i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG "erzielt" hat. Dies ist diejenige Person, die die Leistung bewirkt, durch die der Tatbestand der Einkünfteerzielung gemäß §§ 13 ff. EStG verwirklicht wird. Einkünfte sind steuerrechtlich nicht zwangsläufig derjenigen Person zuzurechnen, die im Außenverhältnis diejenigen Rechtsgeschäfte abschließt, an die die Besteuerung anknüpft. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tatbestandsverwirklichung erfolgt. Speziell bei betrieblichen Einkunftsarten sind die Einkünfte dem Unternehmer zuzurechnen, d.h. demjenigen, der Unternehmerinitiative entfaltet und das Unternehmerrisiko trägt. Das ist derjenige, nach dessen Willen und auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in seinem Vermögen unmittelbar niederschlägt. Dieselben Erwägungen gelten für die Gewerbesteuer, da Steuerschuldner derjenige Unternehmer ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird.
Wird eine Einkunftsquelle auf einen anderen (dem Übertragenden regelmäßig nahestehenden) Rechtsträger übertragen, kann dies dazu führen, dass die Einkünfte trotz zivilrechtlicher Wirksamkeit der Übertragung unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin dem übertragenden Steuerpflichtigen zuzurechnen sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Übertragung als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. von § 42 AO erweist. Ein solcher Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt; dies ist allerdings nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Aus einem Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten folgt grundsätzlich ein Steueranspruch, der eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene rechtliche Gestaltung abbildet. Wann eine den Gestaltungsmissbrauch kennzeichnende "unangemessene rechtliche Gestaltung" vorliegt, entzieht sich einer allgemeinen Definition und lässt sich nur durch Würdigung der gesamten Umstände im Einzelfall feststellen. Insofern können lediglich bedeutsame Indizien benannt werden, bei deren Vorliegen ein solcher Missbrauch zumindest naheliegt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bei einer Zwischenschaltung Dritter in Grundstücksaktivitäten eines Steuerpflichtigen Fallgruppen aufgezeigt, in denen ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten naheliegt. Sämtliche Fallgruppen sind dadurch gekennzeichnet, dass durch eine (wirtschaftlich sinnlose) Zwischenschaltung steuerpflichtige Einkünfte aus einem gewerblichen Grundstückshandel vermieden werden, d.h. die Gewinne aus der Wertschöpfung des Grundbesitzes in der nicht steuerbaren Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen vereinnahmt werden sollen.
Die Würdigung, ob eine Gestaltung als rechtlich missbräuchlich i. S. von § 42 AO anzusehen ist, obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Verstößt sie weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze, ist sie also zumindest möglich, ist der BFH als Revisionsgericht daran gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Nach Maßgabe der aufgezeigten Rechtsgrundsätze tragen die Feststellungen des FG nicht dessen Würdigung, die Übertragung der Grundstücke sowie die hiermit der Klägerin verschaffte Möglichkeit, diese nach Erschließung und Parzellierung gewinnbringend an Dritte zu veräußern, stelle eine missbräuchliche Gestaltung gemäß § 42 AO dar. Die Würdigung ist rechtsfehlerhaft und kann den Senat nicht nach § 118 Abs. 2 FGO binden. Aufgrund dessen ist das Urteil aufzuheben. Die Vorinstanz hat im Ausgangspunkt unberücksichtigt gelassen, dass der Wertschöpfungsprozess im Streitfall (anders als in den aufgezeigten Konstellationen einer Zwischenschaltung) zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke auf die Klägerin im Oktober 2006 noch nicht abgeschlossen war. Erst durch deren Erschließung entwickelten sich die Grundstücke vom Rohbauland zu baureifem Land; erst hierdurch wurden Objekte anderer Marktgängigkeit geschaffen, die einen gewerblichen Grundstückshandel begründen könnten. Demzufolge ist die Wertung des FG, die Klägerin habe "keine wirtschaftliche Funktion" erfüllt, auf Grundlage der Feststellungen nicht nachvollziehbar. Denn nach der zivilrechtlichen Vertragslage war es die Klägerin, die mit der Gemeinde B die Erschließung auf eigene Kosten vereinbarte, ein Ingenieurbüro sowie Bauunternehmen mit den Erschließungsarbeiten beauftragte und sodann die parzellierten Baugrundstücke an Dritte veräußerte. Ebenso war sie es, die nach den Feststellungen des FG die prognostizierten Erschließungskosten zunächst fremdfinanzierte. Jedenfalls nach Maßgabe der Vertragslage wurde der Klägerin somit keine bereits fertig ausgehandelte, sondern erst eine von ihr selbst umzusetzende Erwerbschance übertragen. Wenn das FG anführt, der Kläger habe auf die Wertschöpfung aus der Baulandvermarktung nicht verzichten wollen, ist dies ebenfalls nicht durch hinreichende Feststellungen gedeckt. Insbesondere hat es im Hinblick auf seine Würdigung des Geschehens als Gestaltungsmissbrauch nicht festgestellt, dass trotz der Grundstücksübertragung nur der Kläger den Erschließungs- und Wertsteigerungsprozess beherrscht und gesteuert habe. Hierzu genügt weder, dass auch der Kläger einzelne Termine für Baustellenbesichtigungen und Abnahmen wahrgenommen hat, noch dessen ursprüngliches Vorhaben, die Grundstücke selbst zu erschließen bzw. an eine von ihm beherrschte Personengesellschaft zu veräußern. Eine (wenn auch steuerlich motivierte und kurzfristige) Änderung der Gestaltung lässt eine solche Wertung grundsätzlich nicht zu.
Ob die Gewinne aus der Baulandvermarktung (wie vom FA angenommen) einkommen- und gewerbesteuerlich trotz zivilrechtlich wirksamer Übertragung der Grundstücke dem Kläger zuzurechnen sind, muss daher in einem zweiten Rechtsgang erneut entschieden werden.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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