Dienstwagenbesteuerung: Neue Rechtsprechung zur Fahrtenbuchmethode

05.10.2021  — Volker Hartmann.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Dienstwagen zur Verfügung stellt, der auch privat genutzt werden darf, handelt es sich bekanntermaßen um einen geldwerten Vorteil, der sowohl der Lohnversteuerung als auch der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen ist.

§ 8 Absatz 2 Satz 4 EStG
Finanzgericht München vom 16.10.20, 8 K 611/19

Dieser geldwerte Vorteil kann entweder auf Basis der tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nach der Fahrtenbuchmethode oder pauschal im Rahmen der 1 % - Regelung ermittelt werden.

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Der Firmenwagen & die Dienstwagenbesteuerung

Steuerliche Behandlung von Firmenwagen, Elektroauto & Poolfahrzeugen

  • Nutzungsüberlassung und Nutzungsverbot
  • Bewertung der privaten Nutzung und Zuzahlungen des Arbeitnehmenden
  • Umsatzsteuerliche Behandlung der Fahrzeuge

Rechtsgrundlage für die Fahrtenbuchmethode ist § 8 Absatz 2 Satz 4 EStG. Danach kann der geldwerte Vorteil für die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist bei der Fahrtenbuchmethode neben einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch eine Ermittlung der tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Kosten. Wenn das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt wird und die tatsächlich entstandenen Kosten nicht bzw. nur teilweise nachgewiesen werden, kommt zwingend die pauschale 1 % - Regelung zur Anwendung.

Das Finanzgericht München hatte sich jüngst mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Fahrtenbuchmethode zur Anwendung kommt, wenn die Treibstoffkosten nicht im Detail nachgewiesen, sondern lediglich geschätzt werden.

Der strittige Sachverhalt

Im hier streitigen Sachverhalt überließ ein Arbeitgeber zwei Arbeitnehmern jeweils einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden durfte. Der Umfang der Privat-nutzung war außerordentlich gering und lag ausweislich der im Übrigen ordnungsgemäß geführten Fahrtenbücher zwischen 1,8 und 12,3 %.

Weil der Arbeitgeber hier eine eigene Betankungsanlage für seine betrieblichen Fahrzeuge hatte und die getankte Kraftstoffmenge aus technischen Gründen nicht angezeigt und registriert wurde, versagte das Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung die Anwendung der Fahrtenbuchmethode. Die Teilschätzung der Kraftstoffkosten durch den Arbeitgeber erkannte das Finanzamt nicht an.

Finanzgericht München vom 16.10.20, 8 K 611/19

Dieser Rechtsauffassung trat das Finanzgericht München mit Urteil vom 16.10.20, 8 K 611/19, entgegen und stellte klar, dass eine Teilschätzung des durchschnittlichen Treibstoffpreises sowie des konkreten Treibstoffverbrauchs eines von einem Arbeitnehmer auch privat genutzten Kfz nur einen geringfügigen Mangel darstellt, der insgesamt nicht zur Verwerfung der Fahrtenbuchmethode führt. Der geringe Mangel bei der Einzelaufzeichnungspflicht hinsichtlich der Betankung der Fahrzeuge müsse vernachlässigt werden und dürfe nicht zur Versagung der Fahrtenbuchmethode, weil die Anwendung der 1 % - Regelung hier zu einer ungerechtfertigt hohen Besteuerung führt.

Die vom Finanzamt festgestellten kleineren Mängel der Fahrtenbücher, z.B. geringe Abweichungen bei den Kilometerständen zwischen Fahrtenbuch und Werkstattrechnungen und vereinzelt nicht erfasste Fahrten zur Werkstatt, fallen ebenfalls nicht ins Gewicht und können daher vernachlässigt werden. Die Fahrtenbücher sind diesbezüglich grundsätzlich als ordnungsgemäß anzusehen.

Insgesamt bieten die Aufzeichnungen in den Fahrtenbüchern vorliegend eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit und sind plausibel. Der Belegnachweis für die durch die Fahrzeuge insgesamt entstandenen Aufwendungen ist geführt. Der Belegnachweis ist materiellrechtliche Voraussetzung für die Anwendung des § 8 Absatz 2 Satz 4. Zu den Gesamtkosten des Fahrzeugs gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs dienen und in Zusammenhang mit der Fahrzeugnutzung typischerweise entstehen. Dazu gehören insbesondere die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, Kfz-Steuer, AfA oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen und Garagenmiete. Die Gesamtkosten müssen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung insgesamt durch Belege nachgewiesen sein und sind lückenlos im Einzelnen zu belegen.

Gegensätzliche Auffassungen in der steuerlichen Fachliteratur

In der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt ist, ob der grundsätzlich geforderte Belegnachweis im Einzelfall durch eine (Teil-)Schätzung ergänzt werden kann. In der Literatur werden diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen vertreten. Analog zur Rechtsauffassung des Finanzgerichts München könne eine Schätzung der Aufwendungen wie im hier streitigen Sachverhalt nach Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 6 Anm. E 91 und Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Anm. 823 den Belegnachweis nicht ersetzen.

Ehmcke in Blümich, § 6 EStG Rz. 1014a lässt eine teilweise Schätzung von Aufwendungen zu, wenn es sich beim fehlenden Belegnachweis lediglich um geringfügige Mängel handelt.

Adamek in Bordewin/Brandt, EStG, § 8 Rz. 151, Ettlich in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 8 EStG Rz. 120, Krüger in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 8 Rz. 53 sowie Kulosa in Schmidt, § 6 Rz. 568 hingegen vertreten im Gegensatz zum Finanzgericht München die Auffassung, dass eine (Teil-) Schätzung der Aufwendungen auf-grund des eindeutigen Wortlauts in § 8 Absatz 2 Satz 4 EStG nicht zulässig sei.

Auswirkungen für die Praxis

Auch in hier vorliegenden Fall handelt es sich lediglich um das Urteil eines Finanzgerichts, welches für die Finanzverwaltung grundsätzlich nicht bindend ist. Für die Finanzverwaltung sind grundsätzlich nur höchstrichterliche Urteile des Bundesfinanzhofs bindend. Bis zum Vorliegen höchstrichterlicher Rechtsprechung verbleibt es daher bei einem nicht unerheblichen Maß an Rechtsunsicherheit.

Es handelt sich im hier streitigen Sachverhalt zweifelsfrei um einen besonderen Fall, weil die Fahrzeuge des Arbeitgebers an einer firmeneigenen Tankstelle be-tankt werden, bei der aus technischen Gründen die abgegebene Kraftstoffmenge nicht dokumentiert wird.

Ähnliche Probleme können sich ergeben, wenn im Rahmen der Buchführung Kosten für mehrere Fahrzeuge auf einem Sachkonto gebucht und daher nicht einem konkreten Fahrzeug bzw. einer konkreten Kostenstelle zugeordnet werden können. Fraglich ist, ob in diesen Fällen eine Schätzung zulässig ist.

Ebenfalls nicht unproblematisch ist, wenn der geldwerte Vorteil bei der Lohn- und Gehaltsabrechnung im Rahmen der 1 % - Regelung ermittelt wird und der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung die für ihn günstigere An-wendung der Fahrtenbuchmethode beantragt. In derartigen Fällen ist strittig, ob das Finanzamt eine Bescheinigung der tatsächlich angefallenen Kosten ohne Belegnachweis akzeptieren muss.

Es ist daher zur Vermeidung unliebsamer Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt empfehlenswert, sich eng an die einschlägigen vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmenbedingungen zu halten.

Wir werden Sie in gewohnter Weise auf dem Laufenden halten.

Exkurs: Maßgebliche Gesamtkosten

Nach Maßgabe von des § 8 Absatz 2 Satz 4 gehören zu den Gesamtkosten des Fahrzeugs nur die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und in Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen.

Unmittelbare Fahrzeugkosten

Bei unmittelbaren Fahrzeugkosten handelt es sich um

  • Treibstoffkosten
  • Wartungs- und Reparaturkosten
  • Kraftfahrzeugsteuer
  • Beiträge für Halterhaftpflicht- und Fahrzeugversicherungen
  • Garagen-/Stellplatzmiete
  • Aufwendungen für Anwohnerparkberechtigungen
  • Aufwendungen für die Wagenpflege/ -wäsche sowie
  • Kosten für Ladestrom.

Mittelbare Fahrzeugkosten

Mittelbare Fahrzeugkosten, also Kosten, die nicht dem unmittelbaren Betrieb des Fahrzeugs dienen, sind hingegen nicht in die Gesamtkosten des Fahrzeugs einzubeziehen.

Dazu zählen insbesondere

  • Unfallkosten
  • Fährkosten
  • Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren (Vignetten, Mautgebühren)
  • Parkgebühren
  • Aufwendungen für Insassen- und Unfallversicherungen sowie
  • Verwarnungs-, Ordnungs- und Bußgelder.

Diese Kosten sind nicht in die Gesamtkosten des Fahrzeugs einzubeziehen, sondern separat zu erfassen und steuerlich zu würdigen. In diesem Zusammenhang ist zu differenzieren, ob diese Kosten beruflich oder privat veranlasst sind.

Soweit aus betrieblichen Gründen mittelbare Fahrzeugkosten entstehen, also Kosten, die nicht dem unmittelbaren Betrieb des Fahrzeugs dienen, z.B. Fährkosten, Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren oder Parkgebühren handelt es sich um (nicht steuerbare) Reisenebenkosten.

Soweit mittelbare Fahrzeugkosten entstehen, die in Zusammenhang mit der privaten Nutzung des Dienstwagens stehen, z.B. privat veranlasste Fährkosten, Straßen- oder Tunnelbenutzungsgebühren oder Parkgebühren, hat der Arbeitgeber einen entsprechenden Rückforderungsanspruch gegenüber seinem Arbeitnehmer. Macht der Arbeitgeber von diesem Rückforderungsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer keinen Gebrauch, handelt es sich um einen geldwerten Vorteil, der sowohl der Lohnversteuerung als auch der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen ist.

Der Autor:

Volker Hartmann

Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungs­erfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.

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Bild: Kredite (Pixabay, Pixabay License)

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