14.09.2021 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
24 Nr. 1a in Verbindung mit §§ 34 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 2 EStG
Urteil Niedersächsisches Finanzgericht vom 08.02.18, 1 K 279/17
Urteil Hessisches Finanzgericht vom 31.05.21, 10 K 1597/20
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Abfindungszahlung gewährt, handelt es sich nicht um regulären Arbeitslohn, der der Regelversteuerung zu unterwerfen ist, sondern um Arbeitslohn, der der ermäßigten Besteuerung im Rahmen der Fünftelregelung zu unterwerfen ist. Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung ist, dass es zu einer Zusammenballung von Einkünften kommt. Eine Zusammenballung von Einkünften liegt immer dann vor, wenn ein Arbeitnehmer einschließlich der Abfindungszahlung aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Kalenderjahr insgesamt höhere Einkünfte erzielt, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten hätte.
Gelegentlich enthalten Aufhebungsvereinbarungen sog. Sprinterklauseln. Im Rahmen dieser zusätzlichen Klausel wird einem Arbeitnehmer zusätzlich zur ver-einbarten Abfindungszahlung die Gewähr einer zusätzlichen bzw. einer höheren Abfindungszahlung zugesagt, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor dem ursprünglich vereinbarten Aufhebungszeitpunkt beendet.
Streitig ist, wie derartige Zahlungen lohnsteuerlich zu behandeln sind. Streitig ist, ob es hinsichtlich dieses Anteils um einen Betrag handelt, der ermäßigt im Rahmen der Fünftelregelung zu besteuern oder der Regelversteuerung zu unterwerfen ist. Die bisherige Finanzrechtsprechung ist uneinheitlich. Höchstrichterliche BFH-Rechtsprechung liegt bislang nicht vor.Mit Urteil vom 31.05.21, 10 K 1597/20, hat das Hessische Finanzgericht klargestellt, dass der aufgrund der Ausübung der Sprinterklausel erhaltene Entschädigungsbe-trag der ermäßigten Besteuerung im Rahmen der Fünftelregelung unterliegt. Damit kommt das Hessische Finanzgericht zu einem gänzlich anderen Ergebnis als das Niedersächsische Finanzgericht. Dieses hat mit Urteil vom 08.02.18, 1 K 279/17, die Auffassung vertreten, dass ein neues schadenstiftendes Ereignis vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund einer im zuvor abgeschlossenen Aufhebungsvertrag ent-haltenen Regelung das Arbeitsverhältnis vorzeitig kündigt. Das Niedersächsische Finanzgericht vertrat die Auffassung, dass dieser Anteil des Entschädigungsbetrags getrennt von der Grundabfindung zu beurteilen sei und entsprechend nicht der ermäßigten Besteuerung im Rahmen der Fünftelregelung unterliegt
Im hier streitigen Sachverhalt wurde einer Arbeitnehmerin im Rahmen einer Aufhe-bungsvereinbarung das Recht eingeräumt, das Arbeitsverhältnis vor dem ursprünglich vereinbarten Austrittstermin vorzeitig zu kündigen. Für diesen Fall sollte die Arbeitnehmerin für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung 75 % des laufenden Bruttomonatsgehaltes als zusätzliche Abfindung erhalten.
Das Hessische Finanzgericht bestätigte die Rechtsauffassung der Arbeitnehmerin, dass das Finanzamt diesen Betrag zu Unrecht als laufenden Arbeitslohn erfasst hat. Nach Auffassung des Finanzgerichts zählt dieser Betrag zu den ermäßigt zu besteuernden außerordentlichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 1a in Verbindung mit §§ 34 Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 2 EStG.
Wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zuge einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung gewährt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht al-lein aus eigenem Antrieb herbeigeführt hat, also eine Veranlassung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber vorliegt. Wäre die Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein durch den Arbeitnehmer veranlasst, hätte der Arbeitgeber keine Veranlassung, eine Abfindungszahlung zu leisten. Nach Auffassung des Finanzgerichts zählt auch der aufgrund der Sprinterklausel zusätzlich gewährte Betrag zu den ermäßigt im Rahmen der Fünftelregelung zu besteuernden Einkünften.
Das Niedersächsische Finanzgericht hingegen sieht in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt die Voraussetzungen des § 24 Nr. 1a EStG als nicht erfüllt an, weil alleine der Arbeitnehmer entscheidet, ob er das Kündigungsrecht aus der Sprinterklausel ausübt oder nicht.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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Bild: Helloquence (Unsplash, Unsplash Lizenz)