08.08.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft.
In Deutschland regelt üblicherweise der Markt die Preise: Was knapp und nachgefragt ist, ist teurer als Waren und Dienstleistungen, die im Überfluss da sind. Doch es gibt auch Ausnahmen: Der Staat stellt Güter bereit, für die das nicht gilt. Dazu zählen beispielsweise Museen und Bibliotheken, Kitas und Schulen, Bahn und Post, Wasserversorgung und Müllentsorgung, Pflege- und Krankenhausdienstleistungen. Insgesamt machen die staatlichen Güter 12,5 Prozent des Warenkorbs aus, mit dem die Inflation ermittelt wird. Weil diese Preise sich nicht frei bewegen, dämpfen sie die Inflation – das allgemeine Preisniveau wird also durch den Staat herabgesetzt. Während die Preise, auf die der Staat einen Einfluss hat, zuvor wenig schwankten, wurden sie im Juni so stark gesenkt wie nie zuvor. Nach IW-Auswertungen läge die Inflation ohne solche staatlichen Eingriffe um zwei Prozentpunkte höher. Die Wissenschaftler beziehen sich dabei auf den sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), der zuletzt bei 8,2 Prozent lag.
Vor allem Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket dürften dabei ausschlaggebend sein: Der Personenverkehr hat einen großen Anteil am Warenkorb, mit dem die Inflation berechnet wird. Der deutsche Sondereffekt zeigt sich auch im EU-Vergleich: Nur Malta, Frankreich und Finnland verzeichneten zuletzt geringere Inflationsraten. Der EU-Schnitt lag im Juni bei 9,6 Prozent, Spitzenreiter Estland kommt sogar auf eine Inflation von 22 Prozent.
Die Entlastungen haben allerdings ihren Preis: Maßnahmen wie das 9-Euro-Ticket sorgen nicht nur für einen hohen Verwaltungsaufwand. Die Verkehrsbetriebe und die Bahn gehen davon aus, dass der staatliche Ausgleich ihre Kosten nicht abdeckt. Zusammen mit den steigenden Energiepreisen könnte das dazu führen, dass ab September nicht nur die Ticketpreise steigen, sondern auch die Inflation. „Kurzfristig ist es natürlich erfreulich, dass die Inflation nicht noch stärker steigt“, sagt Studienautorin Melinda Fremerey. „Allerdings sind solche Entlastungen keine langfristigen Lösungen. Um die Inflationseffekte zu dämpfen, sind gezielte Entlastungen und Einmalzahlungen wie die Heizkostenpauschale der richtige Weg.”
Bild: pixel2013 (Pixabay, Pixabay License)